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Corona: Wie ansteckend sind Kinder?
Weil diese Frage von Experten mangels Erfahrungswerten und Studien lange nicht beantwortet werden konnte, wurden Kinder als potentielle Virusträger unter Generalverdacht gestellt und für Monate sämtliche Schulen und Kitas des Landes geschlossen. Das ändert sich aber, da inzwischen erste Studien zu neuen Ergebnissen kommen.
So wie die von der Professor-Hess-Kinderklinik Bremen. Sie ist eine von 151 deutschen Kinderkliniken, die an einer Erhebung zu den SARS-CoV-2 Infektionen bei Kindern teilnimmt. Durchgeführt wird die Studie von der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI).
So wurden in Bremen seit Mitte April bis Ende Juni 2020 12 Kinder und Jugendliche positiv getestet, wie Dr. Laura Buchtala, Oberärztin der Professor-Hess-Kinderrheumatologie am Klinikum Bremen-Mitte berichtet. Unter den 12 Kindern waren 8 wegen des Verdachts auf Covid-19 untersucht worden, die anderen 4 waren Zufallsbefunde: In diesem Fall waren die Kinder frei von Corona-Symptomen wegen einer anderen Erkrankung in der Klinik. Bei einer anstehenden Narkose werden aber alle Patienten auch auf Covid-19 gestestet. "Bei allen 12 positiv getesteten Kindern verlief die Krankheit mild, es gab keinen einzigen Intensivfall. Ein Kind wurde wegen einer weiteren Erkrankung stationär behandelt, alle anderen konnten die Klinik aufgrund der schwachen Symptome schnell wieder verlassen," berichtet Dr. Buchtala.
Zwar haben sich in Deutschland im ersten Ergebniszeitraum der Studie zwischen dem 18. März und 4. Mai 2020 Kinder untereinander kaum bis gar nicht getroffen, die Studie der DGPI bezieht aber auch ausländische Studien zu Kindern und Jugendlichen mit ein, die außerhalb eines Lockdowns durchgeführt wurden. So belegt eine Studie aus Island, dass Kindertagesstätten und Schulen nicht der Ausgangspunkt von Infektionsketten waren. Und in einer französischen Studie steckten Jugendliche während eines COVID-19-Ausbruchs nur 10,9 Prozent ihrer Haushaltsmitglieder an.
Auch internationale Studien wie die der Weltgesundheitsorganisation WHO kommen zu dem Ergebnis, dass Kinder und Jugendliche seltener und meist nur leicht an einer Infektion mit SARS-CoV 2 erkranken, als Erwachsene. In Deutschland entfallen laut Lagebericht des Robert Koch Instituts bislang etwa 3 Prozent aller registrierten Infektionen auf Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre. Ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt aber 13 Prozent. Die Ursachen der Diskrepanz können bislang nur vermutet werden: Möglicherweise werden Kinder seltener getestet oder sie infizieren sich tatsächlich weniger häufig. Vergleichbar geringe Infektionsraten von Kindern sind aus anderen Coronavirus-Epidemien wie SARS oder MERS bekannt. Erste Fallstudien belegen zudem, dass eher Erwachsene Kinder anstecken, als umgekehrt. Insgesamt bleibt weiter unklar, wie wichtig Kinder für die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung sind, die bisherigen Daten legen aber nahe, dass sie für das Voranschreiten der Pandemie eine untergeordnete Rolle spielen. Laut Report der deutschen Studie aus einer Untersuchung der CDC (Centers for Disease Control and Prevention, USA) haben sich 90 Prozent aller erkrankten Kinder außerdem durch Haushaltskontakte angesteckt, die meisten bei ihren Eltern. Anders als bei der Grippe haben also nicht die Kinder das Virus weitergegeben. Eine Information, die bei der Entscheidung über die Öffnung der Schulen und Kindertagesstätten wichtig war.
Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. riet daher in ihrer Stellungnahme von weiteren Einschränkungen der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie ab: „Kinder und Jugendliche wurden in ihren Lebenswelten massiv eingeschränkt, nicht zum eigenen sondern zum Schutz Anderer.“ Und sie kritisieren: „In den politischen Beratergremien sind keine Kinder- und Jugendärzte und keine Pädagogen vertreten. Ein großer Teil der Bevölkerung wird somit überhaupt nicht berücksichtigt. Mutige Entscheidungen sind gefordert, die sich nicht ausschließlich an einer hygienischen und epidemiologischen Risikominimierung für Erwachsene orientieren, sondern die stark genug sind, um langfristig Schaden von Kindern und Jugendlichen abzuwenden. Die bisherigen politischen Entscheidungen in der Krise zeigen einmal mehr, warum Kinderrechte in das Grundgesetz gehören.“