„’sik hören!“, fordern schon die Jüngsten, sobald sie im Auto sitzen. Und dann erklingen sie, die neuesten Ohrwürmchen, die so mancher Fahrt den Stress nehmen und deren Texte selbst Zweijährige bereits sicher beherrschen. Zu Hause wird die CD dann gleich wieder eingelegt. Sie läuft beim Spielen, Basteln oder sogar beim Essen, aber warum auch nicht? Moderne Kinderlieder sind pädagogisch wertvoll. Sie schulen die Musikalität und dank ihrer zeitkritischen Texte auch das soziale Bewusstsein.
Später lösen dann MP3-Player die elterlichen Anlagen ab. Kaum noch ein Jugendlicher, der
alleine in der Bahn sitzt und keinen Stöpsel im Ohr hat. Aber wie sollte man die elende Zeit des Mitfahrens auch sonst überstehen? Man hat ja schon als Kleinkind gelernt: musikloser Transport – unerträglich! Also, rein mit den neuesten Downloads und dann so „fett“ Bushido auf die Ohren, dass es einem die Trommelfelle wegfetzt.
Wer sich einmal mit den Auswirkungen von Lärm beschäftigt hat, möchte an dieser Stelle sagen, ach, wenn’s doch so wäre! Trommelfelle wachsen nämlich wieder zusammen und vielleicht hätte so ein einmaliges Schockerlebnis eine durchaus heilende Wirkung auf den weiteren Umgang mit Geräuschen. Doch natürlich platzt niemandem das Trommelfell, nur weil er den MP3 bis zum Anschlag aufdreht oder als Fünfjähriger von morgens bis abends Rolf Zuckowski gehört hat. Leider, denn die Schäden, die entstehen, wenn unser überaus sensibles Ohr einer dauerhaften Lärmbelastung ausgesetzt ist, kommen schleichend und sind nie wieder zu reparieren.
Jeder vierte Jugendliche ist laut einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse heutzutage hörgeschädigt. Ein Phänomen unserer Zeit? Lautes Spielzeug gab es schon immer. Früher waren es Knackfrösche oder billige Trommeln, die Kinderohren bis zur Schmerzgrenze betäubt haben. Heute donnern die Kleinen nachmittagelang auf ihren Bobby Cars über die Auffahrt – im Grunde auch noch kein Verbrechen am kindlichen Gehör, wenn man anschließend für Ruhephasen sorgt. Denn die über 30.000 Haarsinneszellen im Innenohr, die bei starker Beschallung in Mitleidenschaft gezogen werden, regenerieren sich wieder, sobald man ihnen Ruhe gönnt. Bleibt diese Ruhe jedoch aus, so erholen sich die Haarsinneszellen nicht und sterben ab. Der Schaden ist deshalb unwiederbringlich, weil keine neuen Sinneszellen nachgebildet werden. Sie fehlen einfach und mit jedem weiteren Absterben wächst die Gefahr einer Hörschädigung.
Besonders bei Kindern und Jugendlichen rechnet man inzwischen mit einer hohen Dunkelziffer von Hörschädigungen. Wer kommt schon darauf, sein Kind könne an einem eigentlich als Altersschwerhörigkeit bekannten Defizit leiden? Zumal junge Menschen einen leichten Hörschaden meist unbewusst kompensieren. Sie drehen einfach die Musik lauter und auch in der Schule fällt es angesichts des heutzutage oft beklagten Lärmpegels kaum auf, wenn jemand nicht gleich auf Anhieb versteht.
Um herauszufinden, ob das kindliche Gehör noch intakt ist, bieten die meisten Hörgeräteakustiker kostenlose, altersgerechte Tests an. Natürlich gilt es, sich hier, wie auch bei hochgradigen Hörschäden, an einen Fachmann zu wenden, der mit der Versorgung von Kinderohren bestens vertraut ist, also an einen Pädakustiker.
Doch mit dem Wissen, dass zu viel Lärm und Dauerbeschallung zwangsläufig Schäden nach sich ziehen, können Eltern natürlich auch einwirken, bevor es zu spät ist. Sie können beim Kauf von Spielzeugen darauf achten, dass deren Akustik nicht zu laut ist. Oder sie lassen den CD-Player nachmittags einfach mal aus. Eltern können selbst mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie etwa auf eine Dauerberieselung durch das Radio verzichten. Denn ein bewusster Umgang mit Lärm kommt nicht nur den Ohren unserer Kinder, sondern, wie wir ja längst wissen, auch dem eigenen Nervenkostüm zugute.