
© Elina Sazonova
Familie, Reisen, Corona
Die Corona-Pandemie hat unser Leben in vielen Bereichen sehr verändert und die meisten Familien vor große Herausforderungen sowohl finanzieller als auch emotionaler Art gestellt. Die Kinderbetreuung in Familien muss aufgrund von Homeschooling neu organisiert werden, es ist noch schwieriger, Job und Familie zu vereinbaren, einige Eltern sind auch finanziell von der Pandemie betroffen, indem sie ihren Beruf nicht mehr ausüben können oder weniger Gehalt durch Kurzarbeitergeld bekommen. Auch bei getrennten Eltern stellen sich viele Fragen: Wer betreut das Kind, wenn es nicht in die Schule oder den Kindergarten gehen kann? Was passiert bei einer Quarantäne-Anordnung – wer betreut dann das Kind und darf der andere Elternteil das Kind dann besuchen? Wer entscheidet eigentlich darüber, ob ein Elternteil mit dem Kind unter diesen speziellen Umständen in den Urlaub fahren darf?
Aufgrund der zahlreichen Änderungen der Lebenssituation und Lebensverhältnisse während der Corona-Pandemie sind viele Neuerungen im Familienrecht eingetreten, die neue Entscheidungen nach sich ziehen und die nicht nur für Eltern und Kinder, sondern auch für das gesamte Rechtssystem eine große Herausforderung darstellen.
Änderungen beim Umgangsrecht von getrennt lebenden Eltern
Es gilt der Grundsatz, dass der regelmäßige Umgang eines Kindes mit jedem Elternteil zum Wohl des Kindes gehört. An diesem Grundsatz ändert die Corona-Pandemie nichts, denn das Kind hat ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Es gibt also keinen Grund, den Umgang aufgrund der Corona-Pandemie zu verringern oder zu verweigern. Die Angst eines Elternteils vor einer Ansteckung des Kindes beim anderen Elternteil rechtfertigt auf keinen Fall eine Verweigerung des Umgangs.
Anders ist die Situation selbstverständlich, wenn ein Elternteil oder das Kind unter häuslicher Quarantäne steht, die nach § 30 IfSG angeordnet wurde. In solchen Fällen muss dann der persönliche Umgang selbstverständlich ausfallen. Wenn die Quarantäne jedoch nur für ein Elternteil angeordnet wurde, der nicht erkrankt ist aber Kontakt zu einer erkrankten Person hatte, gilt das Kind als Kontaktperson 2. Grades und der Umgang kann grundsätzlich stattfinden. Der andere Elternteil sollte aber über die Situation informiert werden. Sofern ein Elternteil sich freiwillig entscheidet, sich in Quarantäne zu begeben, hat dies keine Auswirkungen auf das Umgangsrecht und der Umgang mit dem anderen Elternteil muss gewährt werden.
Die Empfehlungen, soziale Kontakte zu vermeiden, gilt nicht für die Kernfamilie, auch wenn die Eltern nach der Trennung in zwei getrennten Haushalten leben. Kinder sollen auf jeden Fall den sozialen Kontakt zum anderen Elternteil behalten. Auch Umgangsregelungen, die durch gerichtlichen Beschluss oder durch eine gerichtliche Vereinbarung geschlossen wurden, gelten weiter. Zum Teil müssen die Umgangsregelungen flexibel ausgelegt werden, wenn eine Abholung nach der Schule zum Beispiel aufgrund von home schooling an der Schule nicht möglich ist. Außerdem müssen die Eltern sich absprechen, wer die Betreuung des Kindes übernimmt, wenn keine Schule oder kein Kindergarten stattfindet. Auch über die Frage der Inanspruchnahme einer Notbetreuung müssen sich Eltern absprechen.
Wenn eine Umgangsregelung durch Beschluss des Familiengerichts festgelegt wurde oder eine Vereinbarung zum Umgang schriftlich protokolliert wurde, können beide Elternteile einvernehmlich von dieser Regelung abweichen. Wenn kein Einvernehmen erzielt wird, kann beim Familiengericht ein Antrag auf Abänderung der Umgangsvereinbarung gestellt werden.
Kann der Kindesunterhalt Corona-bedingt verringert werden?
Aufgrund der Corona-Pandemie sind viele Menschen arbeitslos geworden oder erhalten Kurzarbeitergeld und haben somit weniger Einkommen als zuvor zur Verfügung. Der Kindesunterhalt bemisst sich immer nach dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und es gilt der Grundsatz, dass immer die aktuelle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen vorrangig ist. Wenn ein Unterhaltspflichtiger aufgrund der Corona-Pandemie kein Einkommen mehr hat oder ein wesentlich geringeres Einkommen und kein Vermögen hat, kann das zur Folge haben, dass der Kindesunterhalt nicht mehr oder in geringerer Höhe gezahlt werden kann. Es müsste daher eine Abänderung der Kindesunterhaltszahlung geprüft werden. Wenn es einen Kindesunterhaltstitel zum Beispiel in Form eines Titels vom Jugendamt oder eines familiengerichtlichen Beschlusses gibt, kann der Kindesunterhalt auch in dieser Höhe durch Zwangsvollstreckung eingefordert werden. Daher sind, sofern Unterhaltstitel bestehen, Abänderungsverfahren vor dem Familiengericht notwendig mit dem entsprechenden Antrag der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung. Wenn Kindesunterhalt nicht mehr gezahlt werden kann, besteht die Möglichkeit, für das Kind Leistungen des Staates in Form von Unterhaltsvorschuss zu beantragen.
Wem steht der Corona-Kinderbonus zu?
Im Mai 2021 wird automatisch mit dem Kindergeld der Corona-Kinderbonus in Höhe von 150 Euro ausgezahlt. Der Corona-Kinderbonus hat gesetzlich die gleiche Stellung und die Funktion wie das Kindergeld und ist daher unterhaltsrechtlich auch genauso zu behandeln. Bei getrenntlebenden Eltern erhält der Elternteil, bei dem das Kind lebt und das Kindergeld bezieht, auch den Kinderbonus ausgezahlt. Auf den Unterhaltsvorschuss wird der Kinderbonus nicht angerechnet. Das bedeutet, dass der staatliche Unterhaltsvorschuss in gleicher Höhe weitergezahlt wird wie bisher. Bei getrenntlebenden Eltern kann derjenige, der den Kindesunterhalt zahlt, die Hälfte des Kinderbonus i. H. v. 75,00 € von seiner Unterhaltszahlung im Auszahlungsmonat abziehen. Bei einem bestehenden Unterhaltstitel sollte das Einverständnis des anderen Elternteils zuvor eingeholt werden. Der Abzug des Corona-Bonus hat nichts damit zu tun, ob ein Elternteil coronabedingte Beschwernisse hatte.
Sind Reisen mit dem Kind während der Pandemie möglich?
Grundsätzlich gehören Urlaubsreisen zu Angelegenheiten des täglichen Lebens und der Elternteil, bei dem das Kind sich aufhält, kann entscheiden, wo der Umgang ausgeübt wird und kann auch Urlaubsreisen mit dem Kind unternehmen, wenn diese nicht kindeswohlgefährdend sind. Wenn es sich zum Beispiel um gefährliche Urlaubsorte aufgrund von Terrorgefahr handelt oder Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie bestehen, müssen beide Elternteile entscheiden, weil es sich dann um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handeln würde, bei denen nur beide Elternteile entscheiden dürfen. Wenn also beide Kindeseltern sorgeberechtigt sind und darüber streiten, ob ein Elternteil mit dem Kind verreisen darf, da es aufgrund der Corona-Pandemie Einschränkungen gibt, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidungsbefugnis für die Urlaubsreise auf einen Elternteil übertragen. Gem. § 1628 BGB kann das Gericht bei Meinungsverschiedenheiten von sorgeberechtigten Eltern bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung entscheiden, welchem Elternteil die Entscheidungsbefugnis übertragen wird. Bei der Entscheidung wird vom Gericht das Kindeswohl überprüft und es wird ermittelt, welche Entscheidung dem Kindeswohl am besten entspricht.
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat in einem Fall, in dem die Kindesmutter mit den beiden Kindern nach Mallorca fliegen wollte und der ebenfalls sorgeberechtigte Kindesvater nicht damit einverstanden war, entschieden, dass dem Kindesvater die Entscheidungsbefugnis für diese Frage übertragen wird. Das Familiengericht hat die Entscheidung damit begründet, dass aufgrund der Corona-Pandemie Mallorca als Urlaubsort auch dann eine Gefahrenquelle sei, wenn dieses Reiseziel nicht offiziell als Risikogebiet eingestuft wird. Denn die Ausbreitung von Covid-19 berge die Gefahr des regionalen Auftretens unvorhergesehener Virusausbrüche. Das könne zu plötzlichen Quarantäneanordnungen im Reiseland führen und es gäbe keine Planungssicherheit für den Rückflug. Das damit längere Verbleiben im Ausland könne zu Einschränkungen des seelischen Wohlbefindens sowie zu einer Gesundheitsgefahr des Kindes durch eine Infektion führen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 30.07.2020, Az. 2 UF 88/20).
Was, wenn die Eltern unterschiedlicher Auffassung bezüglich der Impfung des Kindes sind?
Es wurde entschieden, dass Kinder ab 12 Jahren eine Corona-Impfung erhalten können. Es stellt sich die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn getrenntlebende Eltern unterschiedliche Auffassung bezüglich der Impfung sind und ein Elternteil die Impfung des Kindes wünscht und der andere Elternteil diese ablehnt. Sofern keine Einigkeit über diese Angelegenheit von erheblicher Bedeutung erzielt wird, kann ein Elternteil einen Antrag beim Familiengericht auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis gem. § 1628 BGB stellen. Bei Streitigkeiten über Impfungen entscheidet das Familiengericht in der Regel nach den Empfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO) und begründet dies damit, dass die STIKO-Empfehlungen dem Kindeswohl am besten entsprechen. In Fragen des Gesundheitsschutzes ist darauf abzustellen, was nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Medizin dem Kindeswohl am besten entspricht.
Zur Autorin:
Dr. Alexandra Kasten ist Fachanwältin für Familienrecht und veröffentlicht im Magazin Kinderzeit Bremen regelmäßig ihre Kolumne zu relevanten und aktuellen Themen des Familienrechts. Ihre Bremer Kanzlei ist auf Familien- und Erbrecht spezialisiert.
Familienrecht & Mediation, Dr. jur. Alexandra Kasten, Humboldtstr. 11-13, 28203 Bremen, 0421-25804690, kontakt@familienrecht-bremen.de, familienrecht-bremen.de