© Anna Bizón/123rf.com
Weihnachten Singen
Weihnachtslieder gehören zum „Fest der Liebe“ wie Christbaum, Spekulatius und Bescherung. Kaum eine Kindheitserinnerung an Weihnachten bleibt beim Hören der Melodien unberührt – unwillkürliches Mitsummen inklusive. Auch wenn das Mitsingen in den meisten Fällen nicht über die erste Strophe oder gar die erste Zeile hinausgeht, sind Weihnachtslieder fest in der westlichen Kultur verankert. So sehr sogar, dass sich deren Ursprungsgeschichte bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.
Diese frühen Weihnachtslieder wurden anfangs ausschließlich im kirchlichen Kontext gesungen. Sie unterschieden sich in der Art des Vortrags und ihres religiösen Bezugs deutlich von dem, was wir heute allgemein unter Weihnachtsliedern verstehen. Von der Sprache ganz zu schweigen. Mit der Zeit verließen als „weihnachtlich“ empfundene Lieder nicht nur das religiöse Umfeld, sondern verloren sogar ihren inhaltlichen Bezug zum Fest an sich. Das bekannte „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ hat zum Beispiel den Winter als Thema und ist daher eigentlich streng genommen ein Winterlied. Allerdings wurde es so häufig in Sammlungen von Weihnachtslieder aufgeführt, dass die weihnachtliche Verknüpfung inzwischen gebräuchlich geworden ist.
Weihnachten ist das bedeutendste Familienfest in Deutschland und es herrschen im Allgemeinen ziemlich einheitliche Vorstellungen davon, was zu einem ordentlichen Weihnachtsfest gehört. Das Spielen oder Singen von Liedern im familiären Kreis ist dabei ein nicht wegzudenkender Bestandteil. Die weihnachtlich-musikalische Familientradition ist jedoch nicht annähernd so alt wie die des Weihnachtsliedes an sich – wenn doch immerhin rund 300 Jahre alt. Solange ist es bereits her, dass Weihnachtslieder die Kirchen verließen und in das Bürgertum Eingang fanden. Ihren Höhepunkt erreichte die Singtradition im 19. Jahrhundert. Hier entstanden viele der heute noch gebräuchlichen Stücke. Das weltweit wohl bekannteste Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ stammt genau so aus dieser Phase wie „O Du fröhliche“.
Diese Blütezeit weihnachtlichen Liedgutes förderte auch den internationalen Austausch und Import von Weihnachtsliedern wie dem englischsprachigen „The First Noel“. Quasi ein Vorgriff auf die globalisierte Musikverbreitung heutiger Zeit, die moderne Klassiker wie etwa „Last Christmas“ von Wham! hervorgebracht hat, das für nicht wenige die Weihnachtszeit erst einläutet. Der Umgang mit Musik hat sich natürlich auch bei Weihnachtsliedern im Laufe der Zeit stark verändert und sich von der aktiven Beteiligung mehr zum reinen Hören verlagert.
In vielen Familien kommt daher auch eher eine CD mit gesungenen Liedern zum Einsatz, als die eigenen Stimmen beim gemeinschaftlichen Gesang. Wer aber seine Kleinen – oder auch die Großen - zum Singen animieren möchte, kann es mit Chor- bzw. a cappella-Gesängen probieren. Das Mitsingen gestaltet sich dann spielend leicht, selbst wenn die Texte nicht mehr so recht „sitzen“ sollten. Aber selbst wenn ein Besinnen auf die familiäre Gesangstradition des 19. Jahrhunderts nicht gelingen sollte, dürfte für eine festliche Atmosphäre gesorgt sein. Denn selbst gesungen oder nicht, traditionell oder poppig: Weihnachtslieder sind stimmungsvolle Begleiter für die besinnlichste Zeit des Jahres.