© Canva
Kind schreibt
Wenn Kindergartenkinder drauf los „schreiben“ verschwindet der Stift gern mal in der ganzen Faust. Andere scheinen mit der perfekten Stifthaltung auf die Welt gekommen zu sein. Manche Erwachsene schreiben wiederum jahrzehntelang mit völlig verkrampften Fingern flüssig und gut lesbar, während andere Mühe haben „schön“ zu schreiben, obwohl sie den Stift korrekt in der Hand halten. Wie aber hält man einen Stift richtig in der Hand und warum ist das so wichtig?
Expertïnnen wie Ergotherapeuten mit Schwerpunkt Grafomotorik oder Lern- und Frühförderung empfehlen den so genannten Dreipunkt-Griff: Der Stift wird mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger gehalten. Genauer: Der Stift soll parallel zum Zeigefinger vom Daumen gehalten werden und liegt locker auf dem ersten Glied des Mittelfingers, so erklärt es die Dozentin und Referentin für Schrift und Schreibkultur, Susanne Dorendorf, die weltweit als Handschriften-Coach für Kinder und Erwachsene arbeitet. Die Schreibbewegung komme übrigens nicht aus Ellenbogen oder Oberarm, sondern findet in den Fingern statt, so Dorendorf, wobei der Schreibfinger der Zeigefinger ist, er führt den Stift in die richtige Richtung.
Verspannung verhindern
Der Vorteil dieser Stifthaltung liegt auf der Hand: Der Schreibwinkel ist optimal, der Stift kann während des Schreibens leicht gedreht werden, ohne dass die Hand verkrampft. Alle anderen Stifthaltungen führen zu Verspannungen und Unbeweglichkeit. Zum Beispiel, wenn der Daumen quer über den Stift gelegt wird, ist der Stift wie in einer Schraubzwinge eingeklemmt und kann schlecht bewegt werden. Wird fälschlicherweise das vorderste Gelenk des Zeigefingers überstreckt, das Handgelenk zu stark gekrümmt oder der Stift mit zu hohem Schreibdruck geführt, können Nackenschmerzen oder Druckstellen an den Fingern die Folge sein. Das passiert besonders dann, wenn viel und ausdauernd geschrieben wird.
In der Regel korrigieren die Kinder falsche Stifthaltungen mit ein wenig Unterstützung durch Eltern oder Erzieher/-innen von alleine. Hilfreich können auch weiche Kunststoffaufsätze mit oder ohne Griffmulden sein, die die Dreipunkthaltung unterstützen. Je früher die Kinder an die korrekte Haltung gewöhnt werden desto besser. Mit viel Geduld und Zuspruch hat man gute Chancen auf eine Veränderung, zumal die Anforderungen an das Schreibverhalten in der weiterführenden Schule steigen werden. Denn je mehr und je schneller geschrieben wird, desto wichtiger ist die richtige Stifthaltung.
Dass Kinder den Stift zu Beginn ihrer Schreibkarriere noch etwas verkrampft festhalten, ist ganz natürlich, es ist schließlich ungewohnt, so ein Werkzeug auf den richtigen Weg zu führen. Experten einer Studie des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten e. V. über die motorische Schreibleistung von linkshändigen und rechtshändigen Schülerinnen und Schülern der 1. bis 4. Klasse fanden heraus, dass erwartungsgemäß der Schreibdruck und folglich die Verkrampfung nachlässt, je sicherer die Schreibbewegungen werden. Allerdings erhöhten die Schülerinnen und Schüler den Druck auf das Schreibgerät wieder mit der Einführung der Schreibschrift – ein echter Umlernprozess für die Kinder, denn jetzt geht es darum, Schreibbewegungen flüssig und auch schneller ausführen zu können. Umso wichtiger ist es, dass sie zu diesem Zeitpunkt den Stift richtig und entspannt halten können. Laut den Ergebnissen der Studie üben linkshändige Kinder übrigens einen erhöhten Druck auf die Schreibgeräte aus, dieser Druck verstärke sich nochmals durch die Einführung des Füllers. Umso wichtiger sei es, so die Autoren, dass bei linkshändigen Kindern mehr Sorgfalt auf die schreibmotorische Vorbereitung gelegt werden müsse.
Der Schreibstift: Rund, eckig, klein, groß?
© Canva
Kind schreibt
Bis Mitte der 1960er Jahre schrieben die Schülerïnnen mit massiven Schieferstiften auf Schiefertafeln. Inzwischen gibt es sogar Lernstifte mit Bewegungssensoren und Vibrationssignalen, die den Kindern die richtige Stifthaltung erleichtern sollen. Werden sich derartige Schreibgeräte durchsetzen? Zurzeit jedenfalls greift das Gros der Schüler/-innen zum Blei- oder Buntstift oder aber – auf Anraten der Lehrer/-innen – zu Schreiblernstiften. Mit Griffnoppen, Einkerbungen oder rutschhemmenden Gummischichten wird die optimale Stifthaltung unterstützt.
Dorendorf weist darauf hin, dass Stifte für Kinder rund sein sollten, da der Stift während des Schreibens leicht gedreht wird und das gehe umso leichter, je glatter die Oberfläche ist. Stifthersteller hingegen empfehlen dreikantige Stifte, da man auf jeder Fläche einen Finger platzieren kann. Drehen ist dann allerdings schwierig.
Die meisten Experten sind sich zumindest einig, dass Bleistifte mit einer weichen Mine (z. B. B1 oder B2) gut für Schreibanfängerïnnen geeignet sind. Kugelschreiber hingegen sind nicht empfehlenswert, da sie beim Schreiben leichter verrutschen und einen hohen Schreibdruck brauchen. Oft werden inzwischen auch Tintenroller – eine Art Kugelschreiber mit Tintenbefüllung – als Übergang vom Bleistift zum Füller empfohlen.
Ab der zweiten Jahrgangsstufe wird an den meisten Schulen das Schreiben mit dem Füller eingeführt. Spätestens jetzt ist eine korrekte Stifthaltung vonnöten, will man nicht mit zu viel Druck die Feder verbiegen bzw. über das Papier kratzen. Gute Füller, so erklärt Leonard Liese, Leiter des Schulpsychologischen Dienstes in Bergisch Gladbach, zeichnen sich durch eine Auswahl von Federformen aus. Und die Gestaltung der Feder habe, so Liese, wesentliche Auswirkungen auf das Schriftbild von Schulkindern. Füller sollten ausprobiert werden und zwar am besten bei einem guten Schreibwarenhändler. Aber Achtung: Füller sind weder Spielzeug noch Modeartikel, sondern ein wichtiges Werkzeug, insofern ist guter Rat umso wichtiger.
Die Sitzhaltung: Mit dem ganzen Körper schreiben
Entspanntes Schreiben hängt nicht nur vom Schreibgerät ab, sondern auch von der Sitzhaltung. Eine falsche Sitzposition kann zu Rückenschmerzen und Verkrampfungen führen und sich auch negativ auf das Schriftbild auswirken. Der Stuhl sollte so eingestellt sein, dass Oberschenkel und Unterschenkel einen rechten Winkel bilden. Die Füße stehen flach auf dem Boden und die Schultern sollten locker herunterhängen. Sitzbälle oder bewegliche Sitzelemente sind zur Auflockerung zwischendurch hilfreich, sollten aber keine Dauerlösung sein. Die Unterarme liegen am besten bis zum Ellbogen auf dem Tisch und der Bauch berührt die Tischkante, die Nicht-Schreibhand liegt auf dem Blatt und hält es fest.
Schreiben spielen
Mit einfachen Malübungen können Kinder zuhause und im Kindergarten spielerisch Schwünge, Links- und Rechtskreise, Schleifen oder Zickzacklinien „schreiben“ – mit Stöcken in der Sandkiste oder auf dem Weg, mit Fingermalstiften auf großen Blättern oder mit Pinseln in einer sandgefüllten Kiste. Wer mit Spaß seine ersten Schwünge zieht, wird sich sicher auf das Schreiben lernen freuen und ganz unverspannt den Stift schwingen!
Fingerspiele machen die Dreipunkt-Haltung schmackhaft. So können die drei Finger drei Freunde sein, die miteinander tuscheln (oder kuscheln) oder der kleine und der Ringfinger halten eine Perle fest, während die anderen drei Finger schreiben. Apropos Perle: Alle Feinmotorikübungen wie Murmeln sortieren, Bügelperlen anordnen oder auch Perlen auffädeln wirken sich positiv auf die Beweglichkeit der Finger aus und die wiederum kommt der Schreibkompetenz zugute.