Der Film hat schon vor seinem Kinostart die Gemüter erhitzt: Schneewittchen ist erst die Schönste im ganzen Land, als sie die magischen roten Schuhe ihrer Stiefmutter anzieht und schlank wird.
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„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Im Grimm'schen Original spielt die Eitelkeit der bösen Stiefmutter eine wichtige Rolle – in der Neuinterpretation kommt die Oberflächlichkeit der Gesellschaft hinzu.
Die Furchtlosen Sieben sind eingebildete Helden, die eine gerettete Prinzessin für eine Hexe halten, weil sie nicht hübsch ist. Dafür verflucht die Feenprinzessin die sieben jungen Männer, die seitdem keine Schönlinge mehr sind, sondern grüne Zwerge – aber nur sobald jemand sie anguckt! Das führt zu einigen lustigen Szenen: Merlin will ein Buch von einem hohen Regalbrett nehmen, in seiner Menschengestalt ist das kein Problem. Aber als er danach greift kommt ein anderer Zwerg hinein und schwups ist auch Merlin wieder geschrumpft und das Buch für ihn unerreichbar.
Der Film ist schon vor dem eigentlichen Kinostart in Kritik geraten: Schneewittchen wird erst die Schönste im ganzen Land, und zwar als sie die magischen roten Schuhe ihrer Stiefmutter anzieht und plötzlich schlank ist. Fortan liegen ihr, unter dem neuen Namen Rotschühchen, alle zu Füßen. Sie kriegt Geschenke angeboten, die Männer himmeln sie an, die Frauen sind eifersüchtig, sie ist „eine Vision von Schönheit“. Hier könnte man die überschwänglichen Reaktionen darauf zurückführen, dass Schneewittchen durch die Schuhe übernatürlich schön ist und deswegen auch besonders auffällt. Allerdings bleibt das Bild, dass einen Freifahrtschein erhält, wer hübsch ist - und hübsch heißt hier in erster Linie schlank. Allerdings ist Schneewittchen diejenige, die die Oberflächlichkeiten immer wieder anspricht, keine Geschenke annimmt und sich ihrer Verwandlung auch wieder entledigen will. Als sie sich zum ersten Mal im Spiegel sieht, sagt sie „Ich seh so … anders aus.“ Sie sagt nicht schön, hübsch oder gut. Außerdem mag sie ihr natürliches Erscheinungsbild lieber, sie beschreibt sich selbst als stark, was ihr durch die Magie der Schuhe genommen wird. Stattdessen ist sie nur noch niedlich. Das niedliche Äußere macht es besonders überraschend, dass Rotschühchen gut austeilen kann. Sie wehrt sich schlagfertig gegen unerwünschte Küsse und macht deutlich, was sie davon hält, wenn ihre Freunde beleidigt werden.
Trotz allem sind im Film einige schwierige Formulierungen enthalten. So will Merlin unbedingt geküsst werden, um sein altes ("gut" aussehendes) Ich zurückzubekommen, auch, wie er sagt, um jemand zu werden „der deiner Wert ist“. Wieder wird Schönheit mit Schlanksein und damit einhergehend höherer Wertigkeit gleichgesetzt. Dem nicht zu entsprechen, ist in Merlins Augen minderwertig. Kein schönes Bild für kleine Zuschauerïnnen, genauso wenig wie für Schneewittchen. Die stellt nämlich bedrückt fest, dass Merlin ihre Schuhe lieber mag, als ihren Charakter. Als die Zwerge herausfinden, dass Rotschühchen per Steckbrief gesucht wird, befürchten sie, eine Verbrecherin zu beherbergen, um dann aber erleichtert festzustellen: „Ein so schönes Mädchen kann einfach keine Schurkin sein.“
Schön und schlank zu sein, bedeutet also sympathisch, nett und gut zu sein? Dicke Menschen sind also automatisch schlecht? Man sollte sich fragen, welche Informationen hinter den Bildern stecken, die sich Kinder ansehen, und was sie daraus lernen. Rotschühchen und die sieben Zwerge greift gesellschaftliche Ideale auf und gibt sie inklusive Kritik wieder. Aber nicht ohne plus size Happy End!