Wie wir schon in der Rezension zu "Tomboy" festgestellt haben, ist das Thema Transsexualität im Kinderfilm noch immer eine Randerscheinung.Nun ist „Close-Knit“ nicht unbedingt ein expliziter Kinderfilm, aber doch ein sehr familientauglicher Film mit einer kindlichen Hauptprotagonistin.
Die alkoholkranke Mutter der 9-jährigen Tomo hat mal wieder ihren wahren Traum-Mann gefunden und ist mit diesem bis auf Weiteres verschwunden. Tomo geht zu dem einen Menschen, der ihr in dieser wiederkehrenden Situation immer hilft – ihr Onkel. Dieser teilt ihr noch auf dem Weg nach Hause mit, dass er eine neue Freundin hat und dass diese nicht wie alle anderen ist.
Die neue Tante Rinko war nämlich mal ein Mann. Das ist etwas, was Tomo nicht kennt und dass sie im ersten Moment eher seltsam findet. Aber nach und nach nähern sich die beiden an. Vor allem für Rinko scheint ein Traum wahr zu werden, da sie sich immer schon ein Kind gewünscht hat ...
Es sind nicht die großen Dramen, die hier erzählt werden. Nicht das schmerzhafte Coming Out, die Selbstverleugnung bis zur tiefen Depression. Im Gegenteil. Gerade die Rückblicke auf Rinkos Kindheit scheinen fast zu schön um wahr zu sein und dadurch umso bewegender. Wenn die beiden auf der Bettkante sitzen und Rinko der Mutter gesteht, dass er sich Brüste wünscht, ist die Reaktion der Mutter nur: „Natürlich wünschst du dir Brüste, offensichtlich bist du eigentlich ein Mädchen,“ um ihm in der nächsten Szene einige BHs und selbst gestrickte Brüste zu schenken.
Überhaupt spielt das Stricken, wie schon im Titel angedeutet, eine große Rolle. Es ist einerseits Rinkos Ausgleich, ihre Methode, mit Ärger und Wut umzugehen, die die Taktlosigkeit und auch Bosheit der anderen Menschen in ihr hervorrufen. Und sie muss viel stricken ... Die 108 Strick-Penisse, die dabei eine wiederkehrende Rolle in dem Film spielen, sind erheblich weniger verstörend, als es sich im ersten Moment anhören mag. Sie stehen für die 108 Sehnsüchte, die ein Mensch in seinem Leben laut japanischer Mythologie hat. Und sie sind ein gutes Beispiel für die Offenheit, mit der hier ein Thema behandelt wird, das gerade erst aus der Senke des Totgeschwiegen Werdens auftaucht. Der Zuschauer begleitet die 9-jährige Tomo mit all ihren neugierigen, offenen Fragen und der vorsichtigen Annäherung an die neue Tante und lernt sie zusammen mit ihr zu lieben und zu verstehen.
Die Konflikte, die es natürlich auch geben muss, liegen vielmehr im Kleinen, zwischen den Zeilen und zwischen den Menschen, die eigentlich politisch korrekt sind, aber doch an ihre Grenzen stoßen. Im Gegensatz zu „Tomboy“ möchte dieser Film Mut machen, zu sich zu stehen und für die eigenen Rechte zu kämpfen, ohne dabei zu verschweigen, wie schmerzhaft dieser Weg sein kann.
Bisher ist leider noch kein deutscher Kinostart für „Close-Knit“ angekündigt, aber wir hoffen, dass dieser wichtige Film es auch in unsere Kinos oder zumindest DVD-Regale schafft und dass wir euch bald einen Termin mitteilen können!
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