1 von 7
Netflix
OKJA
2 von 7
Netflix
OKJA
3 von 7
Jae Hyuk Lee / Netflix
Okja
4 von 7
Netflix
OKJA
5 von 7
Jae Hyuk Lee / Netflix
Okja
6 von 7
Kimberly French / Netflix
Okja
7 von 7
Barry Wetcher
Tilda Swinton as Lucy Mirando and An Seo Hyun as Mija in OKJA.
Bisher haben wir an dieser Stelle Kinofilme oder DVD-Neuerscheinungen besprochen. Aber in einer Zeit, in der Video on Demand (VOD) auf dem Vormarsch ist und Netflix und Amazon in immer mehr Haushalten zu finden sind, lohnt es sich durchaus auch mal einen Blick auf die Neustarts dieser Plattformen zu werfen.
Beginnen wollen wir dabei mit „Okja“. Der koreanisch-amerikanische Film des Regisseurs Bong Joon Ho (Snowpiercer, The Host) wird am 28. Juni 2017 weltweit auf Netflix frei geschaltet. Wir durften vorher schon mal für euch in den Film gucken und waren beeindruckt!
Die Kontroverse im Vorfeld
Vor seiner Weltpremiere in Cannes schlug der Film bereits hohe Wellen, was gar nichts mit dem Inhalt zu tun hatte, sondern der Frage, ob Filme von VOD-Anbietern auf diesem renommierten Festival laufen sollten. Dazu muss man sagen, dass es vor allem in Frankreich die feste Regel gibt, dass Kinofilme erst zwei Jahre nach Kinostart öffentlich verfügbar sein dürfen. Letztendlich wurde die Entscheidung getroffen, es dieses Jahr noch zuzulassen, (es wäre ohnehin zu spät gewesen für große Programmänderungen) ab dem nächsten Jahr jedoch die Regeln zu ändern.
Nachdem der Film gelaufen war, wurden jedoch auch andere Stimmen, vor allem aus Kritikerkreisen, laut. Eine fast durchweg exzellente Bewertung ließ die Frage aufkommen, warum Regisseure wie Bong Joon Ho überhaupt ihre Filme bei Netflix machen und in wie weit nicht die großen Studios wieder mutiger und großzügiger werden müssten, um ähnliche Filme zu produzieren. Denn darin war man sich einig: Es sind genau solche Filme wie „Okja“, die wir im Kino sehen wollen.
Worum es eigentlich geht
Ein Großkonzern hat die wunderbare Idee, 26 besondere Superschweine an Züchter auf der ganzen Erde zu geben und über 10 Jahre in einem Wettbewerb groß ziehen zu lassen.
Mija ist zusammen mit einem dieser Superschweine aufgewachsen. Die beiden sind beste Freunde und tollen glücklich durch die Wälder Südkoreas, als ein Vertreter des Konzerns kommt, um das Tier zur Preisverleihung nach New York zu bringen. Mija aber versucht alles in Bewegung zu setzen, um ihren besten Freund wieder nach Hause zu bringen. Eine Gruppe Aktivisten scheint ihr dabei helfen zu wollen ...
Bong Joon Ho hat gleich mehrere hochdekorierte Hollywoodgrößen für seinen Film gewinnen können, die allesamt eine hervorragende Leistung bringen. Paul Dano (unter anderem bekannt aus „Little Miss Sunshine“, „12 Years a Slave“ und zuletzt „Swiss Army Man“) gibt den charmanten Kopf der höflichsten Aktivistengruppe der Welt. Jake Gyllenhaal ist nach Filmen wie „Nightcrawler“ und „Nocturnal Animals“ in einer überraschend albernen Rolle als Tiershow-Moderator Dr. Johnny Wilcox zu sehen. Tilda Swinton brilliert gewohnt in einer Doppelrolle als Chefin des Großkonzerns und ihrer eigenen Schwester. Eher ungewohnt: Die androgyne Schauspielerin ist in vollem Makeup, schulterlangem blonden Haar und schließlich sogar in einem rosanen Babydoll zu sehen ...
Die gerade mal 13 Jahre junge Hauptdarstellerin Ahn Seo-hyeon ist ebenfalls in ihrer Heimat Südkorea schon eine etablierte Schauspielerin und diese Erfahrung merkt man ihrem überzeugenden Spiel deutlich an.
Neben den herausragenden Leistungen der Schaupieler, sticht aber auch die technische Umsetzung dieses Filmes hervor. Vor allem die Animation des Superschweines Okja (äußerlich eine Mischung aus Lottas Schweinebär und Totoro) ist bis ins kleinste Detail durchdacht und ausgearbeitet.
Selbst in schwierigen Massenszenen bleibt der Fantasy-Charakter glaubhaft und führt allein durch seine Größe zu spektakulären Action-Sequenzen. Wer noch von einem „Elefant im Porzellanladen“ spricht, der hat noch kein panisches Superschwein in einem Warenhaus gesehen!
Okja – ein Kinderfilm?
Sowohl die Prämisse – kleines Mädchen, versucht seinen tierischen besten Freund aus den Klauen von Bösewichten zu retten – als auch die kindliche Hauptdarstellerin und nicht zuletzt die Plakatgestaltung die stark an klassische Ghibli-Filme erinnert, legen die Vermutung nahe, „Okja“ wäre ein reiner Kinderfilm. Aber diese Annahme ist weit gefehlt. Im Grunde stellt sich in vielen Szenen die Frage, ob er überhaupt für Kinder geeignet ist.
Ein Problem in dieser Festlegung ist sicherlich der wilde Ritt durch verschiedenste Genres, der es schwer macht ihn überhaupt irgendwo zuzuordnen. Fantasy, Science Fiction, Drama, Komödie, Action, Groteske, Gesellschafts-Thriller ... von allem ist etwas enthalten. Insofern ist „Okja“ stellenweise AUCH ein Kinderfilm, aber eben auch ganz viel mehr.
Abgesehen von ein paar Fluchwörtern gibt es wenige ganz explizit gewalttätige Szenen (nicht mehr, als Kinder sie schon aus Filmen wie „Harry Potter“ gewohnt sind.) Viel schlimmer sind die psychischen Grausamkeiten, die durch die hervorragende filmische Umsetzung noch auf die Spitze getrieben werden. Selbst als durchaus kinoversierter erwachsener Zuschauer verschlägt es einem an mancher Stelle vor Spannung, Ekel oder Mitleid die Sprache. Vor allem Tierliebhaber seien gewarnt. Die sehr bildliche Bewusstmachung von Prozessen, wie sie in der Nutztierhaltung gang und gäbe sind, sind emotional oft nicht leicht zu verkraften.
Da Netflix aus Prinzip ungern FSK – Angaben macht, bleibt es also den Eltern selber überlassen, ob sie ihren Kindern den Film zutrauen. An dieser Stelle sei der Rat gegeben, ihn vorerst einmal alleine zu schauen, um dann zu entscheiden, ob das eigene Kind die nervliche Stärke besitzt, die zwei Stunden auszuhalten. Filmisch gesehen lohnt es sich auf jeden Fall und prinzipiell ist es bestimmt gut, sich darüber Gedanken zu machen, wo unser Essen überhaupt herkommt und was das mit unserer Gesellschaft macht.