Am 2. November 2000 wurde das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung verabschiedet. Aus unserer heutigen Sicht scheint es unverständlich, dass es darüber jahrelange politische Debatten geben musste. Anlässlich des 15. Jahrestages wiederholt der WDR zwei Dokumentationen von Erika Fehse, die sich auf verschiedenen Ebenen mit dem Thema Gewalt in der Erziehung beschäftigen. Das gesellschaftliche Bild von Erziehung, die Anerkennung der Kindheit als eigene, wichtige Entwicklungsphase und der damit verbundene Schutz, entwickelte sich im Grunde erst seit Anfang des vorigen Jahrhunderts.
Unter dem Titel „Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie“ berichten die heutigen Eltern- und Großeltern-Generationen in Einzelschicksalen von ihren Erfahrungen als Kinder. Sei es der strafende Vater, der als Pfarrer mit göttlicher Gewalt, in seinem Hause nicht nur für Ordnung sorgen, sondern auch das Böse austreiben will oder die überforderte, alleinerziehende Mutter, die auch mal mit dem Handbesen auf die kleine Tochter einprügelt, weil sie sich nicht mehr zu helfen weiß. Die erste Dokumentation zeigt, dass Gewalt nicht nur zu Hause zur Normalität gehörte, auch in Kindergärten und Schulen war die körperliche Bestrafung oft noch Gang und Gäbe.
Was sind die Hintergründe solchen Verhaltens? Und was sind die Folgen? Wie gehen die damals geschlagenen Kindern heute mit dem Thema Gewalt in der Familie um? Handelte es sich bei diesen Ausbrüchen um Demonstrationen der Macht oder der Hilflosigkeit?
Die Filmemacherin Erika Fehse begibt sich auf Spurensuche und betrachtet dabei behutsam alte Wunden. Was aber hat sich tatsächlich geändert, seit der Einführung des Gesetzes? Ist körperliche Zucht überhaupt noch Thema in der heutigen, modernen Erziehung?
In „Menschen hautnah: Nur ein Klaps auf den Po“ beleuchtet Erika Fehse die aktuelle Situation. Sie besucht Schulklassen, um mit ihnen die Grenzen zwischen Erziehung, körperlicher und seelischer Gewalt auszuloten und spricht mit Kindern und Jugendlichen, die auch heute noch Gewalt in der Erziehung erfahren. Aber sie spricht auch mit Familien, die offen sagen, ein Klaps sei keine Gewalt, mit Begründungen wie: „Ich denke, in einem gewissen Alter, helfen Worte einfach noch nicht besonders viel.“
Immer wieder geht es dabei um das Thema Wut, die sich irgendwann nicht mehr bändigen lässt, die in einem aufsteigt und sich ihre Bahn bricht. Dem gegenüber steht das Gefühl der Schuld. Allerdings nicht nur bei den Erziehungsberechtigten, sondern auch bei den Kindern, bei denen der immer wieder vorkommende Satz „Aber ich war auch selber schuld,“ so bloßstellend wie schockierend ist.
In einer Online-Umfrage, ob es in Ordnung wäre, seinem Kind ab und zu eine Ohrfeige zu geben, antworteten 46,8 % mit „Manchmal geht es nicht anders.“
Hat das Gesetz also überhaupt etwas gebracht? Oder wurde das Thema dadurch nur tabuisiert, mit dem Ergebnis, dass heute die Scham und die Angst darüber zu sprechen so groß ist, dass auf allen Seiten lieber geschwiegen wird? Wie viel Gewalt findet wirklich noch hinter geschlossenen Türen statt?
Der WDR zeigt die beiden Dokumentationen zu folgenden Zeiten:
30.10.2015, 23:15 Uhr „Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie“
05.11.2015, 22:30 Uhr „Menschen hautnah, nur ein Klaps auf den Po“
Und anschließend noch einige Zeit in der Mediathek.