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Entspannte Familienküche
In diesem neuen Ratgeber der Verbraucherzentrale finden Eltern nicht nur über 60 familientaugliche Rezepte, die sich leicht zubereiten und individuell abwandeln lassen. Was die Neuerscheinung so besonders macht, sind seine praktischen, wertvollen und fundierten Informationen, die das Familienleben rund um das Thema Ernährung - vom Planen über das Einkaufen und Kochen bis zum gemeinsamen Essen - so viel einfacher machen. Als Appetizer hier ein Kapitel aus dem neuen Buch:
Essen mit allen Sinnen: Die Mahlzeiten
Unsere fünf Sinne entscheiden, ob uns ein Essen schmeckt oder nicht schmeckt. Riechen, Schmecken, Sehen, Fühlen und Hören: Alle Sinne zusammen machen aus, was wir beim Essen erleben. Umso schöner, wenn wir das mit unserer Familie teilen können.
Wir essen gemeinsam
Mindestens eine gemeinsame Mahlzeit am Tag sollten Familien zum Ritual machen, denn das Familienleben findet auch am Esstisch statt – oder muss man sogar sagen, dass das Familienleben überwiegend am Esstisch stattfindet? Die Zeit, die man als Familie miteinander verbringt, ist eine sinnvolle Zeit. Und nicht nur das. Die Mahlzeiten sind die Gelegenheiten, die unsere „Sinne“ voll und ganz beanspruchen, wenn wir uns die Zeit nehmen und uns darauf einlassen. „Das Auge isst mit": mit den Sinnen sehen, riechen, schmecken wir, wir hören das Knacken der Möhre und können neue unterschiedliche Lebensmittel und Speisen ausprobieren.
Hier, beim gemeinsamen Essen ist eben gerade nicht die Gelegenheit, um Zeit zu sparen,
sondern es ist die Gelegenheit, um gemeinsame Lebenszeit zu gewinnen, zusammen zu sein und sich mit allen Familienmitgliedern auszutauschen. Jede gemeinsame Mahlzeit, die nicht in Hektik eingenommen werden soll, braucht ein ausreichendes Zeitfenster. Und wenn man sich beim Essen mit den älteren Kindern oder den Jugendlichen unterhält, manchmal auch noch länger. Aber die Beziehung, die man damit schafft, ist es wert. Damit die gemeinsamen Mahlzeiten gelingen, sind einige Dinge zu beachten, wenn alle zusammen das Essen und die Gesellschaft genießen wollen. Jede Familie, jede Lebenssituation ist natürlich anders: die Anzahl der Familienmitglieder, das Alter der Kinder, der Platz zum Kochen und Essen, alles ist variabel. Aber ohne eine einheitliche Linie, die jede Familie für sich selber aufstellt, sind harmonische Mahlzeiten nur schwer umzusetzen. Hier folgen einige Vorschläge:
Vor dem Essen
Alle haben die Hände gewaschen, bevor sie sich an den Tisch setzen. Das bedeutet nicht, dass man nicht am Wochenende im Schlafanzug frühstücken darf, das ist gemütlich. Aber der Sand vom Spielen draußen oder der Bohrmaschinenstaub vom Regal anbringen sollen nicht auf den Tisch und in das Essen rieseln. Gegessen wird am Esstisch, jeder hat seinen eigenen Platz oder die Sitzplätze werden nach einem bestimmten System gewechselt. Nicht jede Mahlzeit soll mit einem Streit darüber beginnen, wer wo sitzt, das ist auf Dauer anstrengend. Um sich beim Essen wohlzufühlen, ist eine positive Atmosphäre notwendig, dazu gehört ein gedeckter Tisch, auf dem sich nur noch die Speisen und das Geschirr für die Mahlzeit befinden: Laptop, Handy, Zeitung, Schulbücher oder was auch immer dort abgelegt war, wird vor der Mahlzeit weggeräumt. Servietten, ein Blümchen als Tischdekoration, Aufschnitt und Käse nicht im Papier, sondern auf einem Teller oder in einer Aufschnitt- oder Käsebox, gehören zu den Kleinigkeiten, die eine Mahlzeit schöner machen.
Planen Sie 20 bis 30 Minuten Zeit pro gemeinsame Mahlzeit. Dann können alle in Ruhe essen, bis sie satt sind, und haben genug Zeit, um sich auszutauschen.
Streitgespräche sollten, wenn möglich auf nach dem Essen verschoben werden oder bereits vor dem Essen geklärt sein. Ein Streit unter hungrigen Menschen eskaliert schnell. Wenn alle satt und zufrieden sind, ist eine Lösungssuche viel eher möglich. Und wenn bei nahezu jeder Mahlzeit gestritten wird, werden die Mahlzeiten nur noch mit negativen Gefühlen verknüpft und all die positiven Effekte für die Familie gehen verloren. Legen Sie einige grundlegende Regeln fest, die Ihnen persönlich wichtig sind. Wir zeigen Ihnen eine Auswahl, entscheiden Sie jedoch ganz frei und auf Ihre individuelle Familiensituation zugeschnitten.
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Familienküche - ganz entspannt
Während des Essens
Starten Sie gemeinsam mit dem Essen, also erst wenn alle den Teller gefüllt haben, wird gegessen. Und erst, wenn die erste (kleine) Portion von allen geschafft ist, gibt es Nachschlag für alle, die noch eine zweite Portion mögen. Das ist nicht immer umsetzbar, manche Kinder essen so langsam, da bräuchte es Stunden. Aber so können auch schnell essende Erwachsene mit der zweiten Portion warten, bis die Kinder fertig sind.
Wer am Esstisch sitzt, der bleibt auch dort, bis das Essen beendet ist. Wenn immer wieder jemand aufsteht, wird die Mahlzeit zu unruhig. Es steht nur vom Esstisch auf, wer zur Toilette muss, derjenige, der Getränke holt oder die Person, die noch Lebensmittel bringt. Aufstehen vom Esstisch während der gemeinsamen Mahlzeit braucht einen Grund. Erst, wenn alle (oder zumindest alle Kinder) fertig sind mit dem Essen, wird die Mahlzeit beendet.
Zwischen den Mahlzeiten geht es in den Familien meistens turbulent zu – Aufgaben werden erledigt, Termine reihen sich aneinander und so bleibt die Mahlzeit, neben vielleicht einigen ruhigen Minuten am Abend, der Ort im Familienleben, der den Raum für Gespräche gibt. Und bei den Gesprächen gilt: Wenn einer erzählt, hören die anderen zu, hierfür ist die gemeinsame Mahlzeit auch ein guter Lernort.
Hören Sie auf zu essen, wenn Sie satt sind und gestatten Sie das auch den Kindern. Der Teller muss nicht leer gegessen werden. Und Kinder müssen erst lernen, wie viel es braucht, um satt zu werden. Jeder probiert alles, natürlich ohne Zwang, ein Teelöffel genügt, um festzustellen, ob ein Gericht schmeckt – und wenn es nicht schmeckt, muss man es nicht essen. Brot oder Müsli sind immer da, wenn die eigentliche Mahlzeit nicht ausgereicht hat.
Unfeines Benehmen, wie Rülpsen oder mit dreckigen Fingern das Essen verteilen, ist nicht erlaubt. Und auch das Essen als eklig zu bezeichnen oder Ekel vor dem Essen auszudrücken, ist ein „No-Go“. Lebensmittel sind unser Lebenselixier und haben einen hohen Stellenwert.
Ordentliche Tischmanieren halten den Reinigungsaufwand hinterher geringer, wobei natürlich klar ist, dass Kleinkinder immer das Essen im Gesicht, auf dem Tisch und mit den Händen auch am Kinderstuhl verteilen. Von der Kleidung ganz zu schweigen. Auch wenn Tischdecken eine gemütliche Atmosphäre verbreiten, vielleicht sind stattdessen abwaschbare Platzdeckchen oder das abwaschbare Tischtuch doch die bessere Alternative. Das Tuch zum Wegwischen umgekippter Getränke sollte griffbereit liegen, je schneller man wischt, desto weniger landet auf dem Boden.
Bei der gemeinsamen Mahlzeit läuft kein Fernseher, die Handys sind aus und es wird nicht nebenher gelesen. Das Essen und die Essenszeit lassen sich nur genießen, wenn man sich auch wirklich auf das Essen konzentriert.
Nach dem Essen
Nach der gemeinsamen Mahlzeit gilt natürlich auch für alle gemeinsam: Es wird aufgeräumt. „Viele Hände machen schnell ein Ende“ so heißt es, und gerade beim Abräumen des Tisches merkt man das auch. Keinesfalls sollen nach dem Essen alle Familienmitglieder aufstehen und nur einer übernimmt die Aufgabe, alles wieder in Ordnung zu bringen, während die anderen schon wieder Gelegenheit haben zu chillen oder ihre Aufgaben zu erledigen. Aufräumen ist die Aufgabe aller. So sollte es selbstverständlich sein, dass jeder hilft, das Geschirr und auch die übrigen Lebensmittel wegzubringen, aufzuräumen und/oder den Tisch abzuwischen. Das ist ein Ausdruck der Wertschätzung für die Person, die die Aufgabe des Kochens übernommen hat und stärkt das „Wir-Gefühl“.
Und bitte, liebe Eltern: Lassen Sie die Kinder helfen, auch wenn das Abräumen alleine vielleicht schneller geht. Kinder müssen lernen, dass bestimmte Aufgaben gemeinsam zu erledigen sind, und das von klein auf.
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Familienküche
Kreativ beim Essen: Das Thema des Abends
Unter den Coronabedingungen im Lockdown war es eine besondere Herausforderung, neben Homeschooling und Homeoffice, neben Kontakteinschränkungen und dem fehlenden Ausgleich durch Hobby- oder Sportprogramm, die Mahlzeiten zu gestalten. Was soll man sich schon erzählen, wenn man die gesamten Tage gemeinsam verbringt? Wie soll man den Essensplatz frei von Arbeit halten, wenn kein Arbeitszimmer zur Verfügung steht? Und wie ohne Streitgespräche essen, wenn alle genervt und gestresst sind und nur aufeinander hocken? In solch schwierigen Phasen ist Kreativität gefragt: Für die Schul- und Arbeitssachen benötigt jeder ein eigenes Körbchen, am besten stapelbar, damit die Arbeitsutensilien schnell ein- und wieder auszuräumen sind. Ein bemalter und beklebter Schuhkarton erfüllt den gleichen Zweck.
Hilfreich sind Post-its zum Markieren der gerade wichtigen Seiten in Büchern und Heften, damit sie schnell zugeklappt werden können.
Beleben Sie die Tischgespräche durch Gesprächsideen zu nicht alltäglichen Themen wie „Planetary food“, zu kulturellen Themen oder zu „Weißt du noch“-Geschichten. Schreiben Sie Ihre Ideen zu den unterschiedlichen Themen auf Kärtchen und ziehen Sie „das Thema das Abends“ für die Unterhaltung oder die Diskussion. Sprechen alle Familienmitglieder eine gemeinsame Fremdsprache, wie wäre es, wenn an einem Tag in der Woche das Tischgespräch in Englisch, Französisch oder Spanisch geführt wird (gerne auch mit Handy und Übersetzungsprogramm).
Das Prinzip der Achtsamkeit
Der Familienalltag ist oft geprägt von einem strengen Zeitplan, von Stress, Hektik, noch unerledigten Aufgaben. Das führt bisweilen dazu, dass man sich keine Zeit zum Essen nimmt, obwohl doch eigentlich bekannt ist, wie wichtig das ist. Für die Seele, für die Familie, für die Gesundheit und auch für die Umwelt.
Mach langsam, wenn du es eilig hast.
In Hektik verursachen wir manchmal ein Chaos, das deutlich mehr Zeit erfordert. Das beginnt schon beim Einkauf, bei dem wir in Hektik die wichtigste Zutat vergessen und infolgedessen ein zweites Mal zum Supermarkt müssen. Oder bei der Zubereitung der Mahlzeit, wo wir uns in aller Eile am Messerverletzen und sich dadurch schmerzhaft die Vorbereitungszeit verlängert. Sehen Sie bewusst die Familienmahlzeit als „Pausenzeit“ an, als Auszeit. Schieben Sie die anstehenden Aufgaben für 20 bis 30 Minuten nach hinten und stellen Sie sich und die einzelnen Familienmitglieder voran. Und ja, auch die Mahlzeiten können mit kleinen Kindern sehr anstrengend sein – da wird gematscht, Gläser kippen oder Jugendliche sind grantig und lassen den Frust über die Geschehnisse in der Schule an den Eltern und Geschwistern aus. Aber zumindest gibt es einen Rahmen, in dem all das möglich ist. Es ist der Rahmen, in dem die Ess- und Kommunikationsbedürfnisse beachtet und erfüllt werden können. Man sagt bewusst „Ja“ zum Essen, zu der gemeinsamen Mahlzeit und erfreut sich hoffentlich meistens an ihr.
Das Prinzip der Achtsamkeit kommt ursprünglich aus dem Buddhismus. Achtsam sein bedeutet, ganz in der Gegenwart und bei sich selbst zu sein, sich seine Gefühle, Gedanken und Handlungen bewusst zu machen. Wir haben das Glück, in einer Region auf der Welt zu leben, wo Achtsamkeit möglich, und auch nötig ist. In Regionen, in denen der Hunger groß, aber das Angebot knapp ist, dort wo Familien hungern und nicht genug Wasser zur Verfügung steht, da muss gegessen werden, was vorhanden ist. Lebensmittel stehen nicht überall im Übermaß zur Verfügung und werden auch nicht einfach entsorgt, weil man doch keine Lust drauf hat oder weil die in der Sonne geschmolzene Schokolade nicht mehr schön aussieht. Mit Hunger im Bauch wirft man nicht weg, was satt machen könnte. Das ist hier bei uns anders. Wir leben in einer Welt des Überflusses. Das Brötchen von gestern gilt als „alt“, manch einer kauft da lieber ein frisches, anstatt sich über die Resteverwertung Gedanken zu machen. Dabei kann man so viele Lebensmittel, die nicht mehr ganz frisch sind, weiterverarbeiten und so der Lebensmittelverschwendung entgegentreten.
Für eine zukunftsfähige Welt sollten Kinder lernen, dass Lebensmittel ein kostbares Gut sind, sie sollten wissen, dass das Getreide für das Brötchen Monate benötigt, bis es gewachsen, geerntet, gemahlen und gebacken werden kann –
und dass man unverdorbene Lebensmittel nicht einfach in die Mülltonne wirft. Und auch hier können die Eltern die Vorbilder für die Kinder sein. Eltern, die achtsam mit der Umwelt, mit den Lebensmitteln und auch achtsam mit den Menschen umgehen, geben die Kunst, achtsam zu leben, automatisch an ihre Kinder weiter.
BUCHTIPP
Im neuen Ratgeber der Verbraucherzentrale finden Eltern nicht nur über 60 familientaugliche Rezepte, die sich einfach für alle Geschmäcker abwandeln lassen. Was die Neuerscheinung so besonders macht: Der umfangreiche Infoteil lotst vom Einkaufen übers Planen bis zum Kochen durch den Familienalltag. Er zeigt, mit welchen Lebensmitteln Kinder und Erwachsene auch in der Schule oder unterwegs gut versorgt sind und wie sich die richtige Planung in einem entspannten Familienalltag auszahlt.
Ratgeber „Familienküche. Ganz entspannt: Planen, einkaufen, kochen“, 208 Seiten, 19,90 Euro, E-Book 15,99 Euro, ISBN 978-3-86336-162-4.