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Depression, Verzweiflung
Bei Kindesmissbrauch und Pädophilie kennt die Gesellschaft keine Gnade: Menschen, die sich zu minderjährigen Jungen oder Mädchen hingezogen fühlen, werden vorschnell ohne Wenn und Aber verurteilt. Sie seien abartig, gehörten bestraft und weggesperrt. Dabei unterschlägt diese Haltung zwei wichtige Tatsachen: Pädophilie ist eine psychische Störung, die sich niemand freiwillig aussucht und die therapiert werden kann und muss. Die allermeisten Betroffenen werden dabei gar nicht zu Tätern, sie leiden ein Leben lang unter ihren Phantasien und Trieben.
Nur, wenn das Thema aus der Tabuzone geholt und sachlich darüber gesprochen wird, kann Menschen mit pädophilen Neigungen geholfen werden, ihre Triebe zu bekämpfen und ein normales, glückliches Leben zu führen, das weder sie noch andere gefährdet.
Das Präventionsnetzwerk Kein Täter werden bietet deshalb deutschlandweit ein kostenloses, anonymes und durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot für Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und darunter leiden. Zusammen mit dem Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité Universitätsmedizin Berlin als Projektträger bietet das Präventionsnetzwerk sogar die anonyme und kostenlose Fernbehandlung über das Internet an. „Ziel ist es, sexuellen Missbrauchshandlungen an Kindern in einem Stadium vorzubeugen, in dem noch nichts vorgefallen ist“, erklärt Initiator und Institutsdirektor Prof. Dr. Dr. Klaus M. Beier.
Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass sich bei Menschen sexuelle Ausrichtungen in der Pubertät manifestieren. Mit einer umfassenden Beratung kann Missbrauch verhindert werden, und die anonyme Fernbehandlung soll die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme von Betroffenen verringern. „Die sexualmedizinische Diagnostik erlaubt eine zuverlässige Beurteilung der sexuellen Neigung und deren Risikoeinschätzungen“, so Prof. Beier. Das sei für die nachfolgende Therapie eine wichtige Voraussetzung. Bisherige Erfahrungen zeigten, dass durch das Behandlungsprogramm Risikofaktoren für sexuellen Missbrauch reduziert werden können. „Im Verlauf der Therapie erlernen die Patienten Strategien zur Verhinderung von sexuellen Übergriffen und der Nutzung von Missbrauchsabbildungen“, fasst er zusammen.
Jede verhinderte Tat schützt ein Kind.
Auch für Jerome Braun, Geschäftsführer der Deutschen Kinderschutzstiftung Hänsel + Gretel, die das Präventionsprogramm seit seinem Start unterstützt, ist das therapeutische Angebot von „Kein Täter werden“ ein wichtiger Baustein in der Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs: „Das Hilfsangebot für Menschen mit pädophiler Neigung verfolgt, genau wie Maßnahmen in Kindergärten und Schulen, das Ziel, Kindesmissbrauch zu verhindern.
Sollte ein persönlicher Kontakt für die Diagnostik in Berlin notwendig werden, übernimmt das Projekt die Reisekosten. Das Sozialministerium unterstützt die Arbeit des Projekts seit 2018 finanziell.
Anlaufstellen
Kein Täter werden
Das Präventionsnetzwerk bietet deutschlandweit ein kostenloses, anonymes und durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot für Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und darunter leiden. Kontakt: kein-taeter-werden.de, Standort Berlin, Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Telefon: 030-450529450, E-Mail: praevention@charite.de
Du träumst von ihnen
Das Präventionsprojekt Jugendliche (PPJ) richtet sich an junge Menschen zwischen 12 und 18 Jahren mit einer sexuellen Ansprechbarkeit für das kindliche Körperschema. Die Teilnahme am PPJ ist kostenlos, durch die ärztlich/therapeutische Schweigepflicht geschützt und anonym. Kontakt: du-traeumst-von-ihnen.de, Telefon: 030-450529529, E-Mail: ppj-internet@charite.de
Troubled Desire
Das Online-Selbsthilfeprogramm für Personen, die sich zu Kindern oder Jugendlichen sexuell hingezogen fühlen, berät auch Menschen, die jemanden mit sexuellem Interesse an Kindern in ihrer Umgebung kennen. Auf Wunsch werden Kontakte zu Therapeuten vor Ort vermittelt. Kontakt: troubled-desire.com