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Alleinerziehend in Coronazeiten
Seit 2019 sorgt das Bremer Netzwerk Alleinerziehende dafür, bestehende Angebote für „Ein-Eltern-Familien“ transparenter zu machen, um so die Situation der Alleinerziehenden zu verbessern. Im Herbst 2020 hat Netzwerkkoordinatorin Christiane Goertz gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe eine Befragung zum Thema Alleinerziehend in Coronazeiten umgesetzt. Hier kommen die ersten Ergebnisse dieser Umfrage.
Müdigkeit, Erschöpfung, Stress – so umschreibt eine Befragte ihre Situation in den vergangenen Wochen und Monaten. Und damit ist sie nicht allein: Viele Alleinerziehende sind von den Folgen der Corona-Krise ganz besonders betroffen. Allein 63% der Befragten hatten durch die Einschränkungen der vergangenen Wochen mehr Stress im Alltag. Ausgelöst wird die starke Belastung durch die Angst, sich anzustecken, beim Einkaufen zum Beispiel, aber auch durch Kontakte in der Nachbarschaft. Eine Befragte schreibt, sie habe Angst davor, dass sie als Mutter an Covid-19 erkranken könne und die Versorgung daheim nicht mehr gesichert sei.
Ein weiterer Stressfaktor ist für viele die Situation zu Hause: Homeschooling lässt sich schwer mit der eigenen Arbeitszeit vereinbaren, viele Kinder brauchen Unterstützung, während die Alleinerziehenden selbst arbeiten müssen. Es fehlen Rückzugsmöglichkeiten: Zeit, Energie zu tanken, Zeit, einmal nicht gefordert zu sein. Hinzu kommt, dass insbesondere kleine Kinder in dieser Zeit deutlich mehr Aufmerksamkeit brauchen und oft nicht verstehen, warum sie nicht wie immer mit ihren Freunden spielen dürfen. Eine Mutter schreibt, wie schwer es gewesen sei, dem Sohn zu erklären, dass die Spielplätze geschlossen sind. Das habe viel Nerven und Kraft gekostet, ergänzt sie.
Keine leichte Situation, die sich oft auch körperlich auswirkt: Viele Befragte klagen über depressive Verstimmungen, Schlaflosigkeit und stressbedingte Kopfschmerzen oder Verspannungen. Einige schrieben, sie seien stärker gereizt, oft auch ungeduldig und manchmal sogar aggressiv. „Die Nerven lagen nach einigen Wochen sehr blank“, so beschreibt es eine der alleinerziehenden Mütter.
Viele Befragte wünschen sich gerade in dieser Zeit deutlich mehr Unterstützung. Zwar sind Alleinerziehende es gewohnt, allein zu handeln. Dennoch wäre es für viele hilfreich, zumindest punktuell jemanden zu haben, der ihnen unter die Arme greift, eine Haushaltshilfe zum Beispiel, oder jemand, die oder der sich einfach mal für eine Stunde oder mehr mit den Kindern beschäftigt. Dafür fehlten klare und deutliche Ansagen der Politikerïnnen und es fehle die finanzielle Unterstützung in dieser besonderen Situation, so beschreibt es eine Befragte.
"Wie wunderbar, einfach Zeit zusammen zu haben!"
Die Auswertung der Umfrage bestätigt viele Vermutungen: Für die meisten alleinlebenden Elternteile steigt die Belastung durch die Coronakrise. Dennoch sehen einige Alleinerziehende gerade in der jetzigen Situation auch positive Effekte. So schrieb eine Befragte über die letzten Monate: „Es war eine kostbare Zeit intensiven Zusammenseins mit meinem Kind. Zeit, für die ich sonst oft in Rechtfertigungszwang gerate (...). Wie wunderbar, einfach Zeit zusammen zu haben!"
Die Umfrage zur Situation der Alleinerziehenden während der Corona-Pandemie wurde in der Zeit vom 9. September bis zum 3. Dezember 2020 durchgeführt. An der Umfrage beteiligten sich 104 alleinlebende Elternteile, darunter 102 Mütter und 2 Väter. Der Fragebogen wurde online und als Printversion über verschiedene Netzwerkpartnerïnnen verteilt.