Seehundstation in Norden-Norddeich: Hilfe für die Heuler
© Suse Lübker
Seehundstation Außenansicht
Wir nutzen diesen sonnigen Wochenendtag für einen Familienausflug an die Nordseeküste. Unser Ziel: die Seehundstation in Norden-Norddeich, ein Ort, an dem verwaiste junge Seehunde vorübergehend ein liebevolles Zuhause finden. Im Anschluss: ein erfrischendes Bad in der Nordsee!
Möwen fliegen kreischend über das Becken. Es ist Fütterungszeit für die Seehunde, die großen und kleinen Besucher drücken begeistert ihre Nasen an die Glasscheiben und staunen über die Meeressäuger, die eben noch entspannt am Beckenrand des Freigeheges lagen und jetzt aufgeregt durchs Wasser tauchen. Die meisten Kinder und Erwachsenen beobachten mit Begeisterung die niedlichen Heuler mit den großen Kulleraugen, wie sie durch das Wasser gleiten oder einfach nur faul am Beckenrand auf ihr Futter warten.
Zweimal am Tag werden die Seehunde gefüttert, endlich ist es auch für uns und unsere Kinder soweit: Während die Heuler die Fische verschlingen, erklärt eine Pflegerin den Besuchern ganz genau, wie die jungen Seehunde aufgezogen werden, was sie fressen und womit sie den lieben langen Tag verbringen. Wir erfahren auch, dass Seehunde zwar ganz harmlos aussehen, allerdings nach den Kegelrobben das zweitgrößte Raubtier Deutschlands sind. Und das liegt vor allem an ihren scharfen Zähnen, erklärt die Pflegerin. Einige der Pfleger haben schon mehrmals die Beißer zu spüren bekommen, was nicht nur schmerzhaft, sondern auch gefährlich ist: Im Mundraum der Seehunde befinden sich nämlich viele Bakterien, die sich in einer Wunde sehr schnell entzünden können.
© Suse Lübker
Seehundstation Fenster
Gefahr für die Heuler
Seehunde werden im Juni geboren, wer also in den Sommermonaten nach Norden fährt, hat eine gute Chance, viele junge Tiere in der Seehundstation zu bestaunen. Wie kommen die Heuler – so heißen die von der Mutter getrennten Jungtiere – überhaupt in die Station? Die Jungtiere werden bei Niedrigwasser auf einer Sandbank geboren und können sofort schwimmen. Passiert etwas Ungewohntes, drehen sich die Seehundmütter von der Seite auf den Bauch, um die Störung, z. B. Gewitter oder Sommerstürme, besser einschätzen zu können. Gefahr droht auch von den Menschen, die den Tieren zu nahe kommen: Wassersportler, Sportbootfahrer oder Wattwanderer erschrecken die Muttertiere, vor allem, wenn sie zu wenig Abstand halten. Wir erfahren auch, dass einige Menschen aus reiner Neugierde viel zu nah an die Tiere heran gehen, ganz besonders seit es Smartphones gibt. „Für die Heuler ist es eine Riesenkatastrophe, wenn Menschen sich ihnen nähern, nur um ein Selfie zu machen", erklärt uns der Tierpfleger Tim Fetting im Anschluss an die Fütterung. Die Folge: die Säugephase wird unterbrochen, das Jungtier bekommt entsprechend zu wenig Nahrung bzw. Energie, die Mutter muss möglicherweise flüchten. Das Jungtier folgt der Mutter, hat aber irgendwann nicht mehr genug Energie, hinterher zu schwimmen bzw. sich festzuhalten, es bleibt allein zurück. Laut weinend ruft es nach seiner Mutter, daher auch der Begriff „Heuler".
Mit Chance wird so ein Heuler entdeckt und in die Quarantänestation gebracht, wo er ein bis zwei Wochen lang untersucht und aufgezogen wird. Meist sind sie sehr schwach und kaum in der Lage, aus eigener Kraft Nahrung aufzunehmen. Aus diesem Grund werden die Baby-Seehunde in der ersten Zeit zunächst mit einer Art Fischbrei per Magensonde gefüttert. Sobald sie circa 13 Tage alt sind, bekommen sie dann zum ersten Mal ganze Fische. Manche Heuler kommen mit Verletzungen in die Quarantänestation, wo sie die ersten Wochen verbringen, und müssen ärztlich versorgt werden. Sobald sie fit genug sind, kommen sie in die Seehundstation und werden dort weitere acht bis zwölf Wochen gepflegt, bis sie aus eigener Kraft wieder in der Natur klarkommen.
Wer einen Heuler findet, sollte unbedingt einen Mindestabstand von 300 Metern einhalten, das Tier auf keinen Fall berühren und sich möglichst schnell vom Fundort entfernen und sich dann mit der Seehundstation in Verbindung setzen. Der Grund: der Heuler hat sonst keine Chance, Kontakt zur Mutter aufzunehmen. Meldungen an die Seehundstation sind übrigens nur von Juni bis Mitte August notwendig, ab Mitte August sind die Jungtiere in der Regel selbstständig genug, um allein klar zu kommen.
© Suse Lübker
Seehundstation Ausstellung
Nach den ausführlichen Erklärungen während der Fütterung nehmen wir uns noch ein wenig Zeit für die lohnenswerte Umweltausstellung in der Seehundstation mit gut gestalteten Schautafeln, Audiostationen, spielerischen Elementen und präparierten Seehunden. Nach mehreren Stunden intensiver Seehundforschung verlassen wir Heuler und Co. Wer Lust hat, die ganz jungen Seehunde anzuschauen, kann noch einen Abstecher zum Waloseum machen, einer Einrichtung der Seehundstation. Hier – circa 10 Autominuten von der Seehundstation entfernt – befindet sich die Quarantänestation, wo die Jungtiere ihre ersten Tage verbringen. Außerdem informieren verschiedene Ausstellungen über viele andere Bewohner der Nordseeküste, so zum Beispiel die Baßtölpel oder Seesterne und die Wale und Delfine. Im Mittelpunkt steht das präparierte Skelett eines 15 Meter langen Pottwal-Bullen, der 2003 vor Norderney gestrandet ist.
Wir verbinden unseren Ausflug in der Seehundstation schließlich mit einem Ausflug an den Strand. Das Auto kann man gut und gerne auf dem Parkplatz der Station stehen lassen, der Fußweg zum Strand dauert ungefähr zehn Minuten – lauffaule Kids lassen sich bestimmt gerne mit einem Eis und der Aussicht auf feinen Sandstrand motivieren. Das Strandbad in Norden ist garantiert nicht langweilig, bei Ebbe kann wunderbar im Watt gematscht werden, bei Flut gebadet, die Dünen laden zum Toben ein und Wassermuffel werden sich über die riesige Kletterspinne direkt am Strand freuen.
Seehundstation Norden-Norddeich
Osterlooger Weg 3, 26506 Bremen
Täglich 10 - 17 Uhr Fütterungszeiten: 11 Uhr, 15 Uhr