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Fit für den Schulalltag Einschulung Schulkinder
Anfang September ist es wieder soweit: fast viertausend Bremer Kinder machen sich zum ersten Mal auf den Weg in ihre Grundschule. Ganz plötzlich – so kommt es vielen Eltern vor - ist aus dem (kleinen) Kindergartenkind ein (großes) Schulkind geworden.
Für Eltern und Erzieher ist die Zeit vor der Einschulung eine gute Gelegenheit, die zukünftigen ErstklässlerInnen auf den Schulalltag einzustimmen, sie zu unterstützen und zu fördern. Einige Grundschulen verschicken bereits einige Monate vor dem ersten Schultag einen Leitfaden mit Anregungen für die Eltern von schulpflichtigen Kindern und weisen darauf hin, welche Fähigkeiten ein Schulanfänger für den Schulstart haben sollten.
Manche Eltern werden dann vielleicht erleichtert aufatmen, weil ihre Kinder schon lesen und schreiben können, andere raufen sich die Haare, weil der Spross überhaupt noch nie den Tisch gedeckt hat und keine Ahnung hat, was man mit Schnürsenkeln macht. Vom Aufräumen ganz zu schweigen.
Schulkind in der Schule werden
Für die Psychologin Renate Niesel bedeutet Schulfähigkeit keinesfalls, dass jedes Kind schon vor dem Schuleintritt alles können muss, was in der Schule verlangt wird. Schulkind wird es in der Schule und nicht vorher und wird es nicht von heute auf morgen. Eltern und Erzieher können und sollten zukünftige Schulkinder folglich dabei unterstützen, fähig und bereit für die Schule zu werden, so Niesel. Je mehr Fertigkeiten und Fähigkeiten es beherrscht, desto leichter fällt ihm der Schuleinstieg und desto entspannter kann er oder sie sich auf die neue Situation einlassen.
Eine allgemeingültige Liste mit präzisen Anforderungen an Erstklässler gibt es nicht. Da jedes Kind unterschiedlich weit in seiner Entwicklung ist, ist es die Aufgabe der Eltern und Erzieher zu erkennen, in welchen Bereichen das Schulkind noch Hilfe und Unterstützung braucht, um dann entsprechend zu handeln. Die folgenden Fähigkeiten sind nicht vollständig, sie dienen lediglich als Anregung.
Körperliche Voraussetzungen/Motorik
Das Kind kann still sitzen, sich selbstständig an- und ausziehen und einen Stift halten, es kann Knoten und Schleifen binden. Ob ein Kind die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Einschulung erfüllt, entscheidet ein Arzt bei der so genannten Schuleingangsuntersuchung, die in der Regel einige Wochen nach der Schulanmeldung stattfindet. Hier werden auch Seh- oder Hörprobleme sowie chronische Erkrankungen erfasst. Sollten bei der Untersuchung „nicht ausreichend behandelte Gesundheitsstörungen“ festgestellt werden – so heißt es in dem Anschreiben des Schulärztlichen Dienstes – erhalten die Eltern für das Kind eine Überweisung zu einem Facharzt, der es dann entsprechend behandelt.
Kognitive/sprachliche Voraussetzungen
Das Kind versteht Anweisungen und handelt danach, kann anderen zuhören und selbst zusammenhängende Sätze formulieren. Es kann Mengen erfassen und Formen und Farben erkennen. Die Sprachkompetenz wird in Bremen im Rahmen der Sprachstandserhebung (CITO-Test) geprüft, alternativ kann der Cito-Sprachtest durch einen sogenannten sprachdiagnostischen Befund zum Beispiel vom Kinderarzt ersetzt werden. Kinder mit besonderem Förderbedarf haben vor der Einschulung Anspruch auf zusätzliche Sprachförderung.
Soziale Voraussetzungen
Soziale Kompetenzen von Schulanfängern sind in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt: Viel wichtiger als die kognitiven Fähigkeiten ist die emotionale und soziale Stabilität - da sind sich die Experten sicher. Mit anderen Worten: Lesen und Schreiben lernt das Kind in der Schule. Viel wichtiger ist, dass es sich an Gruppenregeln halten kann, anderen zuhört und auch mal eigene Wünsche zurückstellen oder mit Kritik umgehen kann. Soziale Kompetenzen lernt ein Schulanfänger im Umgang mit anderen Kindern, im Kindergarten, in der Interaktion mit Geschwistern und Eltern oder in Kursen außerhalb des Kindergartens (z.B. Musikschule, Verein etc.).
Im Alltag üben
Mit kleinen Übungen zuhause oder im Kindergarten kann man sich und dem zukünftigen Schüler den Schuleinstieg entspannter gestalten. Alltagsübungen bedeutet nicht, dass wir die Küche oder den Kindergarten in ein Klassenzimmer verwandeln, um dort die zukünftigen Schulkinder zu unterrichten. Vielmehr geht es darum, den Kindern Verantwortung zu übertragen und sie Alltagsaufgaben selbstständig übernehmen zu lassen: Den Tisch decken, alleine Brötchen holen, den Besteckkasten der Spülmaschine ausräumen und das Besteck einsortieren oder im Kindergarten das Obst und Gemüse schnippeln – alles das sind kleine Aufgaben, die Sechsjährige problemlos durchführen können. Dabei lernen sie, sich auf eine Sache zu konzentrieren, sich klar auszudrücken oder selbstständig zu handeln. Allesamt Fähigkeiten, die ihnen im Schulalltag helfen und die mit Spaß gelernt werden können.
Gezielte Förderung vor der Einschulung
Wer die kognitiven Fähigkeiten seines Kindes vor der Einschulung zusätzlich stärken möchte, ist bei dem Verein Schulstart e.V. gut aufgehoben. Dort wird das zukünftige Schulkind in dem Jahr vor der Einschulung in der Gruppe auf den Schulalltag vorbereitet. Das Ziel von Schulstart e.V. ist es, „grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, um es positiv auf die Schule einzustimmen“ erklärt Beate Lübbers von Schulstart e.V. Die Kurse werden von einer erfahrenen Grund- und Vorschullehrerin geleitet und finden einmal wöchentlich in Schwachhausen und Walle statt. Das pädagogische Konzept kann telefonisch unter 0172-9140622 angefordert werden.
Hilfe bei Problemen
Wenn das Kind besondere Unterstützung braucht, zum Beispiel weil es Probleme mit dem Gleichgewichtssinn hat, weil es sich schlecht konzentrieren kann oder Schwierigkeiten hat, sich sprachlich korrekt auszudrücken, ist der Kinderarzt der erste Ansprechpartner. Er wird das Kind dann bei Bedarf an einen Spezialisten überweisen bzw. einen Therapeuten oder eine Beratungsstelle nennen. Geht es darum, ob ein Kind überhaupt schulfähig ist, kann eine psychologische Beratung hilfreich sein. In Bremen bietet die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern vom Amt für Soziale Dienste Unterstützung in allen Fragen des Erziehungsalltags an (Telefonnummer der Ämter unter www.amtfuersozialedienste.bremen.de). Auch die Erzieher im Kindergarten sind kompetente Ansprechpartner und können meistens gut beurteilen, ob das Kind zusätzliche Förderung braucht. Wichtig ist, dass das Kind in die Gespräche mit einbezogen wird, egal ob beim Arzt oder im Kindergarten.
Auf den Schulstart freuen
Die meisten Kinder freuen sich auf die Schule. Vielleicht ist ihnen noch etwas mulmig zumute angesichts der Veränderungen, die auf sie zukommen. Statt vom „Ernst des Lebens“ zu sprechen, hilft es, von den eigenen (positiven) Erlebnissen in der Schule zu erzählen und sich gemeinsam auf den Schulstart einzustimmen: Den Schulweg und das Schulgebäude kennenzulernen, zu überlegen, was in die Schultasche kommt und gemeinsam mit den Eltern einen Tornister auszusuchen. Manche Schulen organisieren einige Wochen vor der Schule einen Tag der offenen Tür - eine gute Gelegenheit, schon mal Schulluft zu schnuppern. Je entspannter und selbstverständlicher die Eltern mit dem Thema Schule umgehen, desto unbefangener wird für alle Beteiligten die Zeit vor der Einschulung!