Wer kennt das nicht: Kaum ist die ganze Familie endlich mal am Küchentisch versammelt, geht’s auch schon rund. Während die Eltern noch versuchen, den Sprössling von der Reichhaltigkeit eines Vollkornbrots zu überzeugen, stopft sich dieser mal eben schnell eine Scheibe Wurst in den Mund und verlässt auch schon wieder den Ort des Geschehens. Und sobald es Süßigkeiten gibt, wird fast jedes Kind zum liebsten Schatz der Welt.
Viele kleine Obelixe
Übertrieben? Vielleicht ein bisschen. Tatsache ist, dass Deutschlands Nachwuchs immer dicker wird. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht sogar von einer „globalen Epidemie“. Und das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund (FKE) spezifiziert, dass Kinder zu wenig Gemüse und zu wenig Vollkorn- und Milchprodukte essen. Das wiederum führt dazu, dass sie nicht ausreichend mit Calcium, Vitaminen und Folsäure versorgt sind. Stattdessen essen Kinder zu viele Süßigkeiten und zu viel Fettes, aber zu wenig Ballaststoffe. Bei Getränken greifen Kinder und Jugendliche eher zu süßen, kalorienreichen Limonaden statt zu Mineralwasser oder ungesüßten Fruchtsäften. Dabei ist eine ausgewogene Ernährung nicht nur wichtig für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder, sondern sie verhindert auch ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes Typ 2. Auch Gefäßerkrankungen und Stoffwechselstörungen sind Folgen von starkem Übergewicht.
Was sollen wir essen sieben Tage lang?
Um der Fehlernährung vieler Kinder entgegenzuwirken, hat das Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund schon zu Beginn der 1990er Jahre ein Konzept für die gesunde Ernährung von Kindern und Jugendlichen entwickelt, das laufend überprüft wird. Das so genannte OptimiX (Abkürzung für optimierte Mischkost) ist als Ernährungsform gut geeignet für die ganze Familie, denn die Empfehlungen gelten für jedes Lebensalter. Die OptimiX-Grundregeln für eine ausgewogene Ernährung sind simpel:
Reichlich Getränke, möglichst kalorienarm, und pflanzliche Lebensmittel, wie Gemüse, Obst, Getreideerzeugnisse, Kartoffeln; mäßiger Verbrauch tierischer Lebensmittel, wie Milch, Milchprodukte, Fleisch, Wurst, Eier, Fisch; und sparsamer Umgang mit fett- und zuckerreichen Lebensmitteln, wie Süßigkeiten und Knabberkram.
Viele KiTas und Schulen orientieren sich inzwischen an den OptimiX-Vorschlägen, denn die berücksichtigen auch praktische Kriterien, wie Essensvorlieben der Kinder, Mahlzeitengewohnheiten sowie Kosten der Lebensmittel.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus …
Der Grundstein für das zukünftige Essverhalten wird schon in den ersten Lebensjahren gelegt und festigt sich bis etwa zum zehnten Lebensjahr. Anders ausgedrückt: Was Hänschen nicht kennt, isst Hans nimmermehr. Eltern, Geschwister, Freunde und Erzieher sind die wichtigsten Vorbilder für das Ernährungsverhalten der Kinder – was am gemeinsamen Esstisch vorgelebt wird, prägt schon die Kindergartenkinder. „Essen dient nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern die Mahlzeiten sind ein gemeinsames Ritual. Je mehr die Kinder daran teilhaben, desto besser essen sie und umso mehr Spaß haben sie beim Essen“, so die Leiterin der Kindergruppe Sonnenstrahl in Findorff – Ursula Becker. Sie wagt es auch, den Kindern regelmäßig ein untypisches Kinderessen, wie Sauerkraut oder Linsen, zu servieren. „Auf diesem Weg werden die Kinder an Gerichte herangeführt, die sie ablehnen, ohne sie jemals probiert zu haben.“ Und die meisten Kinder probieren zumindest mal, manche kommen sogar auf den Geschmack.
Interesse am Essen entsteht am ehesten, wenn die Kinder beim Einkaufen, bei der Zubereitung und auch beim Tisch decken mitmachen. So erfahren Sie viel über die Lebensmittel und deren Zubereitung und sehen, dass Essen mehr ist als gesunde Ernährung. Sie lernen, mit allen Sinnen zu genießen. Und: Kinder, die mithelfen, wissen besser Bescheid und essen gesünder. Oft schmeckt dann plötzlich genau das Gemüse, was sie sonst vom Teller schieben.
Gesundes Essen – woher?
Gesundes Essen beginnt beim Einkauf. Ein erster Schritt zu bewusster Ernährung ist der Kauf von überwiegend saisonalen Produkten aus der Region – zum Beispiel auf den Wochen- und Bauernmärkten in Bremen und umzu oder in den Hofläden der Region. Wer wenig Zeit zum Einkaufen hat und Wert auf Ökoprodukte legt, nutzt das umfangreiche Angebot eines Lieferdienstes, wie z.B. der „Ökokiste“. Auch die Bioläden und Reformhäuser sind für ernährungsbewusste Familien nicht mehr wegzudenken. Der Trend geht allerdings eher zu Biosupermärkten mit größeren Verkaufsflächen und mehr Sortimentsvielfalt. Und „wer persönlichen Kontakt oder Beratung sucht, kommt in unserem Biosupermarkt genauso auf seine Kosten, wie der schnelle Kunde, der einfach nur seinen Einkauf erledigen möchte“, erläutert der Geschäftsführer der ALECO-Biomärkte, Georg Appel, die Vorteile von Biosupermärkten. Aus Kostengründen greifen inzwischen allerdings viele Verbraucher auf das Angebot der Großhandelsketten wie PLUS oder ReWe zurück, die biozertifizierte Produkte in ihrem Dauersortiment bieten. Eine Kombination aus Bioprodukten und herkömmlichen Supermarktartikeln ist für viele Familien eine bezahlbare Alternative zu reiner Biokost.
Nein, meinen Spinat ess’ ich nicht!
Wenn Kinder partout ein bestimmtes Gemüse nicht essen wollen, kann man durchaus zu kleinen Tricks greifen. Viele Gemüsesorten lassen sich püriert oder klein geraspelt in beliebte Saucen, Suppen und sogar in Pfannkuchen mischen. Und wenn Kinder nicht gern gekochtes Gemüse essen – Rohkost ist bei den meisten Kids sehr beliebt. Da beim Erhitzen viele Vitamine verloren gehen, ist rohes Obst und Gemüse besonders nährstoffreich. Es müssen ja nicht immer die obligatorischen Karotten- oder Apfelschnitzer sein. Auch Kohlrabi, Paprika oder Radieschen werden gern genascht und schmecken besonders gut zu leckeren Dipps. Und bei manchen Gemüsemuffeln erreicht man kleine Veränderungen, wenn sie ihr Gemüse selbst anbauen können. Radieschen, Kresse, Kräuter, Tomaten – viele Gemüsesorten lassen sich aus Samentütchen ganz einfach selbst ziehen. Dafür braucht man nicht einmal einen großen Garten - ein Balkon oder eine sonnige Fensterbank reichen meist schon.
Wenn das alles nicht fruchtet: Nicht aufgeben, denn die Geschmacksvorlieben von Kindern ändern sich manchmal sogar erst nach dem zehnten Probieren. Am besten man bietet auch unbeliebtes Gemüse immer wieder an, möglichst auch mal in einer anderen Variante zum Beispiel als Suppe oder Auflauf.
Und die Süßigkeiten? Nichts spricht gegen gelegentliche Naschereien, denn generelle Verbote bewirken oft genau das Gegenteil.