Seelische und körperliche Verletzungen bei Kindern und Jugendlichen, die nicht geheilt werden, belasten auch ihr Leben als Erwachsene erheblich. Junge Menschen im Alter von 5 bis 20 Jahren können in Bremen jetzt an einer wissenschaftlichen Studie teilnehmen, um eine umfassende Diagnostik und Traumabehandlung zu erhalten.
Trauma bedeutet übersetzt Wunde und bezeichnet ein belastendes Ereignis oder eine Situation eines Menschen, die nicht eigenständig bewältigt und verarbeitet werden kann. Traumata sind das Resultat von psychischer oder physischer Gewalteinwirkung. Das können schwere Unfälle oder Erkrankungen sein, aber auch Erfahrungen erheblicher psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt sowie schwere Verlust- und Vernachlässigungserfahrungen, die tiefe Wunden in der Seele hinterlassen. Oft erfahren Menschen diese einschneidenden Erlebnisse in der Kindheit, und werden von den Folgen ein Leben lang beeinträchtigt.
Körperliche Verletzungen werden meist erkannt, ärztlich behandelt und verheilen nach einer gewissen Zeit. Seelische Verletzungen werden besonders bei Kindern und Jugendlichen aber viel zu oft übersehen und verheilen nicht von alleine.
Betroffene junge Menschen im Alter von 5 bis 20 Jahren können in Bremen jetzt schnell und unkompliziert eine umfassende Diagnostik und Traumabehandlung erhalten, indem sie an der Studie "Bestforcan" teilnehmen. Das Projekt startete im Juni 2020 in Bremen und bietet die psychotherapeutische Behandlung von Symptomen an, die auf Erfahrungen wie Vernachlässigung, körperlichen oder sexuellen Missbrauch basieren können. Durch eine psychotherapeutische Behandlung können die psychischen und physischen Langzeitfolgen oft verhindert werden.
Im Rahmen einer bundesweiten Studie wurden Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten von der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Goethe-Universität Frankfurt spezifisch weitergebildet, um Kinder und Jugendliche vor Ort in ihren Praxen zu behandeln. Zeitgleich werden Mitarbeiter der Jugendhilfe und Kinderärzte geschult, damit sie gemeinsam mit den Therapeuten ein Versorgungsnetzwerk bilden können. Die in dem Netzwerk angewandte, sogenannte traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie ist eine Therapieform, deren Wirksamkeit bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen nach Gewalterfahrungen in internationalen Studien nachgewiesen worden ist. Diese wissenschaftlich gestützte Psychotherapie erhalten bisher jedoch nur wenige Betroffene in Deutschland.
Die klinische Psychologin Prof. Dr. Regina Steil von der Goethe-Universität hat das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr. Rita Rosner von der Universität Eichstätt-Ingolstadt und Prof. Dr. Lutz Goldbeck von der Universität Ulm angestoßen, um bundesweit das Angebot der Behandlung von Traumafolgestörungen in Deutschland zu verbessern. Die Studie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt und in Kooperation mit verschiedenen deutschen Universitäten durchgeführt.
Wer zwischen 5 und 20 Jahren alt ist und von körperlicher oder sexualler Misshandlung oder Vernachlässigung betroffen und infolgedessen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung wahrnimmt oder Eltern, Angehörige oder Betreuer eines betroffenen Kindes oder Jugendlichen, die vermuten, dass eine traumaspezifische Therapie helfen könnte, können sich für die Behandlung anmelden. Aber auch (angehende) Psychotherapeutïnnen, pädiatrische Fachärztïnnen und Mitarbeiterïnnen der Jugendhilfe sind eingeladen, das Projekt zu unterstützen.
Die Kontaktdaten von fünf Bestforcan-Therapeutïnnen in Bremen und vielen weiteren in der Region sind auf der Internetseite zu finden. Die Kosten für die Behandlung werden von der Krankenkasse übernommen.