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Homeschooling
Wenn "Homeschooling" nicht das Wort des Jahres 2020 wird, wissen wir auch nicht... Tatsache ist: Mit Corona ist das digitale Lernen in alle Haushalte, in denen schulpflichtige Kinder leben, eingezogen. Und jeder hat während der Schulschließungen in der ersten Jahreshälfte unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Bei den einen lief es ganz gut, bei den anderen so gar nicht, einige Lehrkräfte engagierten sich super, von anderen hörte man überhaupt nichts...
Unumstritten ist: Was digitales Lernen betrifft, hat Deutschland einen Aufholbedarf. Laut einer weltweiten Studie zur Digitalisierung wettbewerbsfähiger Länder rangiert die Bundesrepublik nur auf Platz 17 von 63 Ländern, weit hinter Singapur, Dänemark, der Schweiz, Schweden und den Niederlanden beispielsweise. Die Nachteile, die sich dadurch auch auf unser Bildungssystem ergeben, hat die Pandemie nochmal verdeutlicht, und es wird endlich Zeit, herauszufinden, woran es hakt und wie es in Zukunft für alle besser laufen kann. Denn auch wenn Corona irgendwann hoffentlich nicht mehr unseren Alltag bestimmt, sollte digitales Lernen eine Selbstverständlichkeit und für alle Schülerïnnen einfach umsetzbar sein.
Die Studie "eGovernment Monitor 2020" von der Initiative D21 und der Technischen Universität München (TUM) hat im Juni dieses Jahres 1.005 Personen ab 18 Jahren in Deutschland befragt, die das Internet privat nutzen. Die Durchführung erfolgte als Onlinebefragung. Die komplette Studie zu Nutzung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsdienstleistungen erscheint am 20. Oktober 2020. Vorab wurden Ergebnisse von Fragen veröffentlicht, die speziell Eltern von Schulkindern betreffen.
Demnach fand in 85 Prozent der befragten Haushalte, in denen schulpflichtige Kinder leben, während der Corona-Epidemie digitaler Schulunterricht beziehungsweise ein digitaler Austausch mit den Lehrkräften statt. Etwa die Hälfte der Eltern war mit dem Schulunterricht seit Corona insgesamt zufrieden, ein Drittel dagegen unzufrieden. Die Auswertung ergibt zusammenfassend, dass 75 Prozent der befragten Eltern Hürden beim Homeschooling erlebt haben und dass der Erfolg des digitalen Unterrichts maßgeblich von den Kompetenzen der Lehrkräfte abhängt. Tatsache ist: Die Nutzung digitaler Geräte für den Schulunterricht stieg seit Beginn der Corona-Krise von 66 Prozent auf 96 Prozent an. Das meistgenutzte Gerät ist dabei das Smartphone, gefolgt vom Laptop. Die Übermittlung der Lehrinhalte erfolgte am häufigsten über E-Mails (81%), gefolgt von Videokonferenzen (44%) und Messengerdiensten (32%). Der Austausch von Materialien über einen Schulserver oder Lernplattformen kam seltener zum Einsatz. Auch analoge Wege zur Übermittlung von Lernmaterial, wie eine Abholung in der Schule (16%) oder die Übermittlung via Telefon (14%) oder Post (7%) kamen vor.
Als konkrete Hürden beim digitalen Unterricht nannten die Eltern oft die fehlende Unterstützung durch die Schulen, gefolgt von Internetproblemen wie Geschwindigkeit und Netzproblemen und an dritter Stelle mangelnde Digitalkompetenzen der Lehrkräfte. Die technische Ausstattung zu Hause spielte offenbar nur eine nachgeordnete Rolle: Zu wenig oder zu alte Geräte nannten nur 14 Prozent der Befragten als Hürde. Dass die Gestaltung eines digital unterstützten Schulunterrichts dabei stark von Können und Engagement der einzelnen Lehrkräfte abhing, zeigen diese Zahlen: 54 Prozent der Eltern sagten aus, dass die Lehrerïnnen den Unterricht auf eigene Initiative digital gestaltet haben. 42 Prozent zeigten sich aber auch unzufrieden damit und gaben an, dass die Lehrkraft mit den digitalen Anwendungen überfordert war. Den Einsatz der Schulen beurteilen die Befragten insgesamt besser: 59 Prozent fanden, dass die jeweilige Schule alles in ihrer Macht Stehende getan hat, ein Drittel empfand die Schulen als bremsend.
„Bildung lebt von Interaktion zwischen Schülern und Lehrkräften. Zum Beginn der Krise war es richtig, zunächst überhaupt eine Form des Austauschs sicherzustellen. Perspektivisch müssen aber interaktive Formate der Normalfall sein. Der Versand von Arbeitsblättern per E-Mail ist ungenügend“, urteilt Prof. Dr. Helmut Krcmar von der TUM. „Die Digitalisierung erfordert neues Denken. Alte Abläufe und Verhaltensmuster müssen neu interpretiert werden, um das volle Potenzial digitaler Technologien ausschöpfen zu können. Dies erfordert nicht nur die Schaffung der technischen Grundlagen, sondern auch angepasste institutionelle Strukturen und die Entwicklung neuer Kompetenzen bei allen Beteiligten.“
Dazu ergänzt Initiative D21-Präsident Hannes Schwaderer: „Die bestmögliche Unterstützung der Schülerïnnen beim digitalen Lernen darf nicht dem Zufall überlassen werden! Wir brauchen bundesweite Standards, um sicherzustellen, dass Lehrkräfte über notwendige Digitalkompetenzen verfügen. Das Aus- und Weiterbildungssystem muss zwingend ein ‚digitales ABC‘ vermitteln, ohne geht es heute nicht mehr. Die Defizite sind nun hinlänglich bekannt.“ Jetzt wird sich zeigen, ob Lösungen gefunden werden und man die Krise als Chance nutzt, um moderne und krisenfeste Bildungs- und Lernformen zu etablieren.
Die Vorabergebnisse der eMonitor-Studie stehen hier als PDF bereit.
Die Vorabergebnisse der eMonitor-Studie stehen hier als PDF bereit.