
© S. Lübker
Groningen, (c) Suse Lübker
Alle paar Jahre statten wir der niederländischen Stadt Groningen mit der ganzen Familie einen Besuch ab. Immer dann, wenn wir uns von unserer friesischen Lieblingsinsel Schiermonnikoog auf den Rückweg nach Bremen begeben, gehören ein Café-Stopp und manchmal auch eine hektische HEMA-Shoppingaktion zu unserem Urlaubsende dazu. Dieses Mal ist alles anders: Wir lassen das Auto stehen und fahren ganz entspannt von Bremen aus mit dem Zug in die Hauptstadt der Provinz Groningen: Morgens hin, abends zurück. Keine Parkplatzsuche mit müden Kindern, die nach einer frühen Ferienhausputzaktion am liebsten sofort nach Hause möchten.
Morgens früh um 9 Uhr kaufen wir unser „Niedersachsenticket plus Groningen“ und steigen gut gelaunt in den Zug nach Leer. Von dort aus soll ein Schnellbus direkt nach Groningen fahren, denn Bahnen verkehren nicht auf der Strecke, seit die Friesenbrücke über die Ems vor knapp drei Jahren beschädigt wurde. Macht nichts, die Fahrt dauert auch mit Bus und Bahn nur circa zweieinhalb Stunden. Am Leeraner Bahnhof sind wir allerdings verwirrt: Wo und vor allem wann fährt denn bloß dieser Bus ab? Irgendetwas an der Planung ist wohl schief gelaufen, denn der Schienenersatzbus fährt laut aushängendem Fahrplan erst eine Stunde später als gedacht. Stattdessen fahren wir mit dem Regionalbus nach Wehner und steigen dort in den Zug nach Groningen. Alles etwas umständlich, dafür aber kurzweilig und auf der letzten Strecke sehr niederländisch: die Durchsagen, die Zeitschriften im Zug, die Menschen und – hey – wir fahren über die Grenze! Jetzt wundert sich unser Jüngster doch ein wenig: Wir fahren ins Ausland? Für einen Tag? Und warum ist bei uns Sonntag und dort haben alle Geschäfte auf? Genau so ist es, denn am heutigen dritten Oktober ist Feiertag in Deutschland und Alltag in den Niederlanden. Das merkt man auch sofort in Groningen am Bahnhof. Viele Menschen wuseln durch die Straßen, Fußgänger und ungewohnt viele Radfahrer, vor denen wir das eine oder andere Mal ausweichen müssen, als wir ohne es zu merken im Weg stehen. Groningen ist eine Fahrradstadt: Wer einmal quer durch die Stadt möchte, nimmt das Rad, motorisierte Fahrzeuge müssen den Umweg über die Ringstraße nehmen, die das Zentrum umgibt. Der Weg vom Bahnhof in die Innenstadt ist nicht weit, wir überqueren die Brücke beim Groningen Museum und sind sofort mittendrin im niederländischen Einkaufsgetümmel.
Die große Frage: Shopping oder Sightseeing?
Und jetzt kommt meine Lieblingsfrage: Was möchtet ihr in Groningen denn unternehmen? Die Große freut sich auf die netten Krimskrams-Läden, der Mann braucht eine neue Jeans. Und Anton? Der fragt „Gibt‘s da Spielzeuggeschäfte?“ … Öh, bestimmt, aber wir wollen ja auch die Stadt erkunden und nicht nur shoppen, oder? Wie wäre es mit ein bisschen Sightseeing? Ich möchte unbedingt auf den Martiniturm, das Wahrzeichen der Stadt, aus 100 Metern Höhe haben wir bestimmt den Überblick. „Müssen wir da hoch?“ – meine Kinder sind schon von der Vorstellung erschöpft. Also suchen wir erst einmal ein Café auf, um uns mit „Koffie verkeerd“ und „Chocolademelk“ zu stärken. Wir müssen nicht lange laufen: mitten in der Folkingestraat – einer lebendigen Geschäftsstraße mit allerlei gediegenen Kunst- und Antiquitätenläden, hübschen Schmuck- und Modegeschäften, Cafés und Bars – entdecken wir eine Bäckerei mit Café. Die Kids bekommen einen superleckeren Kakao mit Mini-Karamell bzw. Marshmallowstückchen auf der Sahne und sind begeistert. Nebenan befindet sich direkt ein Spielzeugladen – Anton ist dann mal verschwunden und bewundert die niederländischen Legoangebote.
Anschließend schlendern wir gemütlich weiter durch die Folkingestraat, die direkt auf dem Marktplatz endet. Dienstag ist Markttag, auf dem „Grote Markt“ in der Innenstadt können wir uns kaum sattsehen an den typisch holländischen Marktständen mit Obst-, Gemüse- und Fisch. Mein Jüngster ist ganz begeistert von den riesigen Käselaiben, darf probieren und besteht darauf, zumindest „een stukje“ für zuhause zu kaufen. Es riecht nach Honigwaffeln, die hier gebacken und warm auf die Hand verkauft werden. Und nach „Kibbeling“ – frittierten Fischfiletstückchen – wir können einfach nicht widerstehen, schließlich ist es schon mittags. Auf den Stufen vor der Markthalle genießen wir im Nieselregen unseren Mittagssnack – ein Blick in das prächtige historische Gebäude mit dem hohen Glasdach lohnt sich unbedingt, auch wenn dort, wo früher die Kornbörse war, inzwischen „nur“ ein Supermarkt untergebracht ist.
Jetzt könnten wir eigentlich mal Richtung Martiniturm laufen, finde ich. Die Kinder haben andere Pläne: „Mama, du hast doch von diesem tollen Süßigkeitenladen erzählt …“ Okay, da gehen wir jetzt hin und dann aber wirklich! Der Turm! Vorbei an der AaKerk, über den Akerkhof in die Astrad und hinein zu „Droppie“, dem Groninger Bonbonparadies. Wie soll man sich hier bloß entscheiden zwischen Hunderten von Gläsern mit Bonschen, Lakritzen, Gummitierchen …? Es dauert ein bisschen, bis alle ihre Tütchen gefüllt haben. Jetzt aber zurück in die Innenstadt, auf zum Turm. Karten für die Besteigung des knapp 100 Meter hohen Groninger Wahrzeichens gibt es im VVV – dem Groninger Touristenbüro, soviel wissen wir schon. Die Dame am Schalter lächelt uns freundlich an und erklärt, dass der Turm seit einer halben Stunde geschlossen sei. Grummelnde Erwachsene, erleichterte Kinder. Was nun? Nach einem weiteren Spaziergang durch Haupteinkaufsstraßen landen wir dort, wo unsere Große schon vor circa 13 Jahren auf dem Sofa geschlafen hat, während wir uns kaffeetrinkend von unserem HEMA-Einkauf erholt haben: in der „Brasserie Groen“, einem zweistöckigen Café bzw. Restaurant mit sehr leckeren regionalen und internationalen Gerichten. Zwar hatten wir eigentlich das Pannekoekship auf unserer Planungsliste, aber jetzt, wo wir schon mal sitzen und es so lecker riecht, bleiben wir doch einfach hier. Schmeckt auch lecker, unser Jüngster erfreut die Bedienung mit englischer Begeisterung: „the best burger …“. Es bleibt nicht mehr viel Zeit und wir schlendern zurück zum Bahnhof. Im Gepäck: Dänische Lakritzen, ein großes Stück Käse und viele Ideen für den nächsten Ausflug. Ins Comicmuseum wollen wir dann und eine Grachtenfahrt machen und natürlich unbedingt auf den Martiniturm, zur Not auch ohne Kinder.
Groningen-Tipps für Familien:
Anreise:
- Seit dem Sommer 2014 existiert das so genannte Niedersachsen-Ticket plus Groningen, seit Juni 2017 gilt die vereinfachte Regelung für Kindermitnahme: Zwei Personen reisen für 33 Euro hin und zurück, bis zu drei Kinder von sechs bis 14 Jahren sind unentgeltlich dabei, Kinder unter sechs Jahren reisen kostenfrei. Die Fahrt von Bremen nach Groningen dauert circa zweieinhalb Stunden. In der Regel hat man eine gute Anschlussverbindung mit dem Schienenersatzbus von Leer bis zum Groningen Hauptbahnhof, von dort aus braucht man circa 15 Minuten zu Fuß bis ins Zentrum.
Tipps für einen Familienbesuch:
- Das ganze Jahr über kann man mit dem elektrischen Grachtenboot durch die Kanäle fahren und die Stadt vom Wasser aus betrachten, die Grachten heißen übrigens in Groningen „Diepen“. Die einstündige Tour kostet 12,50 Euro für Erwachsene und 7 Euro für Kinder von 4 bis 11 Jahren. www.rondvaartbedrijfkool.nl
- Bei schlechtem Wetter empfehlenswert: das Groninger Comicmuseum am Westerhaven.
- Dienstag, Freitag und Samstag ist Markttag: auf dem Grote Markt oder dem Vismarkt im Zentrum werden von 9 bis 17 Uhr frische Lebensmittel, Stoffe, Blumen verkauft. Es lohnt sich, die bunten Stände zu bestaunen, auch wenn man nichts kaufen möchte.
Tipps für die Vorweihnachtszeit:
- Insgesamt sieben Weihnachtsmärkte bringen die großen und kleinen Besucher in der Stadt und der ganzen Provinz in vorweihnachtliche Stimmung, auf der Website der Touristenformation (unter „Blog“) wird jeder einzelne Markt beschrieben: https://toerisme.groningen.nl
- Zwischen dem Nikolaustag und Weihnachten findet außerdem jedes Jahr die „WinterWelVaart“ statt: an diesem Wochenende legen Dutzende weihnachtlich erleuchteter Charterschiffe an den alten Kanälen der Groninger Innenstadt an. Auf den Schiffen und drumherum gibt es verschiedene weihnachtliche Veranstaltungen und jede Menge Aktivitäten für Kinder (www.winterwelvaart.nl).
- Sehr lustig: Beim Santa-Run legen über 2.000 Weihnachtsmänner und -frauen eine fünf Kilometer lange Route durch die Groninger Innenstadt zurück – natürlich werden die rotbemäntelten Jogger ordentlich angefeuert! Infos: https://toerisme.groningen.nl/de/veranstaltungen/santa-run