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Erste Hilfe für Alltagshelden, Colle Bysäth
Mutter, Motorradfahrerin, Rettungssanitäterin und Exil-Bremerin Colle Elisabeth Bysäth hat im Emsland die erste „Angstfreie Erste-Hilfe-Schule“ eröffnet und kommt mit ihren besonderen Seminaren an außergewöhnliche Orte. Im Interview mit Kinderzeit Bremen spricht sie über häufige Fehler, die Kinder sogar in Lebensgefahr bringen können – und wer eigentlich Knut ist.
Wie kam es zu deiner Idee, eine eigene Schule zu eröffnen?
Tatsächlich durch ein Erlebnis, das ich am eigenen Leib erfahren musste. Ich hatte damals „International Business Management“ studiert, morgens verpennt, bin schnell-schnell, ohne Frühstück, mit dem Fahrrad zum Bahnhof und dort mit Kreislaufproblemen einfach umgekippt. Mitten in der Berufszeit haben mich so viele Leute einfach liegengelassen, ich sah nur die vielen Beine, die an mir vorbeigingen und dachte: ‚Wow, das ist echt heftig‘. Ich wollte dann wissen, ist das nur in Deutschland so krass? Und hab‘ festgestellt, dass die Menschen zum Beispiel in Skandinavien, wo die Entfernungen viel weiter sind und ein Rettungswagen ewig brauchen kann, viel besser und eigenverantwortlicher in Erste-Hilfe sind. Dieses Wissen will ich auch hier vermitteln. Und zwar nicht in trockenen 8-Stunden-Kursen, bei denen sich eh‘ niemand alles merken kann, sondern unterhaltsam und mit praktischen Einheiten, quasi als Infotainment.
Welche Qualifikationen bringst du mit?
Weil mich das Thema so gepackt hatte, habe ich eine Ausbildung zur Ersthilfe-Trainerin gemacht und bin nach meinem Studium als Sanitäterin hauptamtlich Rettungsdienst gefahren. Heute trainiere ich Hebammen in Krankenhäusern, biete Babysitter- und Au-pair-Kurse in Hörsälen, Prophylaxe-Beratung und vieles mehr an ungewöhnlichen Orten an. Bei meinen Rettungseinsätzen habe ich immer wieder beobachtet, dass viele Menschen einfach nicht helfen, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen. Deshalb will ich mein Wissen an so viele wie möglich weitergeben.
Was unterscheidet deine Schule von bekannten Erste-Hilfe-Kursen?
Mit meinen Workshops für Motorradfahrer:innen bin ich vor Ort in den Bikertreffs und biete Seminare an, die aufeinander aufbauen - und alle sind total begeistert. Meine Kurse für Eltern von Babys habe ich zum Beispiel zuerst nur im Freundes- und Familienkreis gemacht. Einmal rief mich eine ehemalige Teilnehmerin von einem Biker-Workshop Monate später an und sagte: ‚Colle, ich werde Oma! Hast du Lust, zu uns zu kommen?‘ Da hab‘ ich dann im Mai die ganze Familie fast wie bei einer Tupperparty trainiert, das war so toll! Ich versuche die Stunden alternativer, angstfreier und über viel Kommunikation aufzulockern, da werden die Teilnehmenden immer zu echten Teams. Es gibt bei mir keine Verbotslisten zum Auswendiglernen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe mit praxisnahen Methoden, um auch in Schrecksituationen handlungssicher zu sein. Dabei bauen die Themen von Anatomie über Standardnotfälle bis zu Extremsituationen als Baukastenprinzip aufeinander auf. Und ich erkläre, was in der absolut coolsten Rock’n’Roll-Hausapotheke nicht fehlen darf. Immer an meiner Seite ist Knut, das Skelett, an dessen Körper ich Griffe zeigen kann. Knut kommt bei den Teilnehmenden super an, da wird auch viel gelacht.
Welche Fehler beobachtest du häufig bei Eltern kleiner Kinder?
Absolut unterschätzt sind die Gefahren durch Ersticken und Hitzetod im Auto. Zum Beispiel sind diese Mulltücher über dem Kinderwagenverdeck oder dieser Regenschutz aus Folie hochgefährlich. Auch bei Schatten oder im Herbst sind Temperaturen weit unter 20°C nicht vergleichbar mit denen im Innenraum eines Autos. Kleine Kinder können dort schnell in Ohnmacht fallen und die Eltern denken, sie würden schlafen, oder die Folgen treten erst Stunden später auf. Das kann lebensgefährlich werden. Meinen Leitfaden, wie man Kinder und Hunde davor schützt und sie rettet, gibt es kostenlos als PDF-Download auf meiner Homepage.
Was rätst du den Eltern stattdessen?
Als Sonnen- oder Regenschutz gibt es tolle Schirme oder Segel für den Kinderwagen und Buggy. Ich kläre über Reflektoren und Warnwesten auf und warum dicke Jacken im Kindersitz ausgezogen gehören oder wann ein Lammfell gefährlich werden kann.
Zum Schluss noch der wichtigste Tipp für alle Eltern?
Rechnet immer damit, dass etwas passiert. Eignet euch das Wissen an, damit ihr im Notfall jederzeit gelassen, angstfrei und sicher handeln könnt.
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