Kaum zu glauben, aber als die TV-Sendung für Vorschulkinder 1973 das erste Mal in Deutschland ausgestrahlt wurde, war sie hierzulande hochumstritten. Inzwischen können zwei Generationen von Vorschulkindern behaupten, in der Sesamstraße weit mehr als zählen und lesen gelernt zu haben. Diversität war in den kindgerechten Geschichten und Filmen schon immer selbstverständlich, lange bevor der Begriff alltagstauglich wurde.
Die außergewöhnliche Kindersendung, die in den USA bereits 1969 zum ersten Mal über den Bildschirm flimmerte, spielte anfangs in einer Straße in New York, in der Kinder aller Nationalitäten zwischen Mülltonnen mit Monstern und Erwachsenen über alles sprachen, was sie bewegte. Erfunden wurde die "Sesame Street" von der amerikanischen Fernsehproduzentin Joan Ganz Cooney und dem Psychologen Lloyd Morrisett, der im Geburtstagsmonat der deutschen Sendung, am 23. Januar 2023, im Alter von 93 Jahren verstarb.
Der Mix aus Jim Hensons Puppen und echten Menschen mit regelmäßigen Auftritten von US-Filmstars überzeugte die deutschen Kritiker:innen allerdings gar nicht. Und so protestierte ein Bündnis aus Eltern, Erzieher:innen und Wissenschaftler:innen und Sendeanstalten gegen die in Deutschland ab 1973 ausgestrahlten, synchronisierten Original-Folgen, weil die amerikanischen Straßenszenen mit der Lebenswelt deutscher Kinder nichts gemein hätten und zu rebellisch seien.
Doch die anfängliche Skepsis wich allmählich, und so produzierte der NDR 1978 eigens eine deutsche Sesamstraße mit neuer Kulisse und den Puppen Samson und Tiffy, die zusammen mit Schauspieler:innen wie Liselotte Pulver oder Horst Janson auftraten und die Originalgeschichten von Ernie und Bert, Oskar und Bibo, Krümelmonster und Kermit, Grobi und Graf Zahl einrahmten.
Wie gehe ich mit mir und meinen Mitmenschen um? Wer bin ich? Welche Gefühle habe ich?,
erklärt Holger Hermesmeyer, Redakteur der Sesamstraße beim NDR, die Leitfragen der Sendung. Inzwischen sind regelmäßig angesagte und namhafte deutsche Stars von Anke Engelke über Jan Delay und Helene Fischer bis zu Ingo Zamperoni hier zu Gast, und auch heute noch kann fast jedes Kind Songs wie „Mahnah Mahanah“, „Qietscheentchen mein“ und natürlich das Titellied mitsingen.
Von Beginn an war die Sendung der Inbegriff von pädagogisch wertvollem Fernsehprogramm, schließlich vermittelte sie Vorschulkindern nicht nur Zahlen und Buchstaben oder Begriffe wie nah und fern, sondern besonders auch soziales Verhalten und Diversität.
So viel mehr als eine TV-Show
Hinter der Sendung steht die gemeinnützige Medien- und Bildungsorganisation ein, die die TV-Show und ihre Puppen einst erfunden hat: „Sesame Workshop“ hat inzwischen ein internationales Netzwerk geschaffen, das mit medialen Inhalten und lokalen Initiativen Kinder und ihre Familien in aller Welt erreicht. Gemeinsam lokalen Partnern entwickelt Sesame Workshop heute Angebote in Flüchtlingscamps in Syrien und Bangladesch und aktuell auch für ukrainische Familien, die nach dem Einmarsch der russischen Armee ihre Heimat verlassen mussten. Ihre Projektarbeit ist in über 150 Ländern präsent und ermöglicht Millionen Kindern Zugang zu Bildung und Gesundheitslektionen und bietet Familien Unterstützung in schwierigen Situationen.